Vergleichstest

Pathos Inpol Remix & Unison Simply Italy im Test

1.6.2012 von Stefan Schickedanz

Bella Italia steht hierzulande für eine Extraportion Lebensfreude und Genusskultur. Doch können zwei Verstärker, denen eine strenge Leistungsdiät zu Grunde liegt, den Italiener in uns wecken?

ca. 6:05 Min
Vergleich
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Pathos Inpol Remix, Unison Simply Italy
Pathos Inpol Remix, Unison Simply Italy
© Hersteller

Pro

  • sehr dynamisch
  • tonal ausgewogen
  • toller Punch

Contra

  • sehr wenig Anschlussmöglichkeiten

Ob Mode, Pasta oder Toskana: Selten waren Stereotype so positiv besetzt wie bei Italien. Das Land ist ein Synonym für Lebensfreude. Kein Wunder, selbst Politiker sind dort weder steif noch nüchtern und erfreuen sich im hohen Alter - wie den Schlagzeilen zu entnehmen ist - bester Vitalität.

Doch können unsere Nachbarn mithalten, wenn es um Verstärker-Elektronik geht - ein Bereich, in dem deutsche oder japanische Ingenieurskünste den Ton angeben? Rein zahlenmäßig macht sich am Stammtisch jedenfalls erst einmal Ernüchterung breit: Keiner der beiden Amps von Pathos und Unison kratzt an der 15-Watt-Grenze. Ihre Konzepte versprechen dem Kenner dafür Reinheit wie ein Grappa aus bestem Hause. Reicht das nur für's stille Kämmerlein - oder haben die beiden genug Saft für Bunga-Bunga-Partys?

Pathos Inpol Remix und Unison Simply Italy im Vergleich

Der Begriff Pathos kommt zwar aus dem Griechischen, aber nichts könnte diesen in Italien entwickelten und gefertigten Vollverstärker trefflicher beschreiben: In ihm vereinen sich "Leidenschaft" und "Leiden" zu einem Wort, das nicht nur die Kühlrippen des INPOL Remix in einzigartiger Weise prägt.

Ihrem Besitzer verlangt die extrem puristische Konstruktion eine gewisse Leidensfähigkeit ab, um ihn dann vollends mit Leidenschaft zu fesseln. Eine Probe, wenn man es so will, damit nur wenige Auserwählte Pathos erlangen: "Wie hälst Du es mit der Quelle, sprich?". Ein Cinch- und ein XLR-Eingang muss INPOL-Inhabern reichen - basta!

Kaufberatung: Top-Speaker um 2.000 Euro

Der doppelte USB-Eingang zeugt im Moment lediglich davon, dass man in Vicenza fieberhaft an der Entwicklung eines Nachrüst-Boards mit 24Bit/192kHz arbeitet. Der Preis steht bereits fest: Für 700 Euro mehr gewinnt der puristische Verstärker dann erheblich an Flexibilität und passt sich den Gewohnheiten des modernen Menschen an. Schnell gewöhnen kann man sich an die vier Tasten der Fernbedienung, die zwar mit Metall verwöhnt, dafür mit Beschriftungen geizt. So etwas sorgt allenfalls im Handel oder im Testbetrieb für Verwirrung.

Doch solche kommerziellen Überlegungen brauchen die drei Eigentümer der 1994 gegründeten Manufaktur kaum zu kümmern: Sie machen mit der Produktion von Akkuschraubern jährlich einen deutlich dreistelligen Millionenumsatz. Die Marke Pathos ist für sie persönliche Passion. Das merkt man der liebevoll gestalteten, sehr durchdachten Konstruktion auf erfreuliche Weise an: So herrlich unkommerziell agieren nicht einmal mehr die üblichen Verdächtigen aus England.

Das Innenleben

Im Innern wird es richtig abgefahren. Stichwort: INPOL - das steht für Inseguitore a Pompa Lineare (sprich: Linear Pump Tracker), jene patentierte Schaltung, mit der Pathos einst begann. Die Spannungsverstärkung erledigen dabei ausschließlich Röhren.

Da ohne passende Stromportionen aus Spannung noch keine Leistung wird, werden die Doppeltrioden von je einem Paar MOSFETs unterstützt, die in gegenkopplungsfreiem, symmetrischem Eintakt-Class-A operieren.

Praxis: Raumeinmessung selbst gemacht

Wobei fette Ausgangsübertrager in einer raffinierten Schaltung nicht nur dafür sorgen, dass dieser ineffizientesten aller Verstärkertechniken doch noch ein paar Watt zu entringen sind, sondern vor allem dazu beitragen, dass die MOSFETs zwar arbeiten, davon aber praktisch nichts bemerken - die Klirrsignatur des Inpol entspricht damit zu 100% der der Treiber-Röhren.

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Glühender Pathos: Unter dem edlen Holzdeckel versteckt sich ein zweistöckiger Hybrid-Amp mit Röhren-Vor- und Transistor-Endstufe. Erstere wird von einem Linear-, letztere von einem Schaltnetzteil versorgt.
© Audio

Das klingt eigenwillig - aber nur in der Theorie. In der Praxis nämlich spielte selten ein Verstärker mit einer solchen Musikalität, Authentizität und Autorität auf. Der italienische Hengst gab den Boxen so die Sporen, dass niemand, der diesem Spektakel je beiwohnen darf, auch nur einen Gedanken an Bässe, Mitten und Höhen verschwenden würde: Hier spielte die Musik - als Ganzes, mit allen Details und Emotionen. Selbst an der KEF Reference 207/2, der Mutter aller Diven, erzeugte diese Forza Italia einen Punch bis in die tiefsten Bässe, dass einem die bescheidenen Leistungsangaben als guter Scherz vorkamen. Der heißblütige Pathos hat das Zeug, selbst einige teurere Gegner regelrecht zu blamieren.

Unison Simply Italy

Die Landsleute von Unison aus Venedig kann das allerdings kalt lassen: Der Simply Italy, ein Nachfahre des Simply Two, kostet weniger als die Hälfte. Das sieht man ihm nicht an, und man kann es auch nicht fühlen: Mit 16 Kilogramm bringt der Single-Ended-Class-A-Röhrenverstärker sogar mehr Gewicht auf die Waage als der Pathos. Und an Originalität steht ihm der neuerdings etwas benutzerfreundlicher gestaltete "Remix" des getesteten Vorgängers Simply Two auch kaum nach.

Pro

  • sehr ausgewogen
  • gutes Timing
  • filigrane Details

Contra

  • deutliche Einschränkungen bei Boxen und Raumgröße

Es handelt sich um einen sehr minimalistischen Eintakt-Verstärker, der mit nur einer einzigen Verstärkerröhre vom Typ EL 34 pro Kanal auf minimale Leistung im reinen Klasse-A-Betrieb ausgelegt wurde. Die ebenfalls aus dem Gehäuse ragenden ECC-82-Röhren gehören zur Vorstufensektion. Kurze Signalwege waren ein integraler Bestandteil des Konzepts, das den größten Teil des Gehäuses der Trafo-Sektion dem Ringkerntrafo für die Netzversorgung und den beiden Ausgangs-Übertragern reserviert.

Die Besitzer des mit einer Holzblende für die Frontplatte und hölzernem Fernbedienungsgehäuse ausgelieferten Kleinods können sich nicht nur entscheiden, ob sie das Gitter über den Glimmerkolben lieber abnehmen wollen. Darunter finden sie zudem einen Schalter, mit dem sich die Gegenkopplung von "wenig" auf "sehr wenig" zurücknehmen lässt.

Dafür bleibt die Wahlfreiheit auf der Suche nach dem passenden Lautsprecher stärker begrenzt als das Mitspracherecht des Bundestages bei der Eurorettung. Doch waren die Tester angesichts der Leistungsdaten darauf schon vorbereitet und griffen in der Lautsprecher-Asservatenkammer gezielt nach entsprechenden Wandlern.

Der Klang

Dabei zeigte sich allerdings, dass die grazile Italienerin weniger Allüren an den Tag legte als etwa die mit mehr Leistung gesegnete Diva Lyric Ti 120 Signature TS, die mit dem kritischen Impedanzverlauf der KEF Referenz 207/2 haderte.

Simply Italy mochte es einfach nur nicht laut, das war alles. Solange der Pegel nicht jenes gehobene Maß überstieg, das nur im hochbedämpften AUDIO-Hörraum noch als Zimmerlautstärke empfunden wird, ließ er sich in diversen Kombinationen vom freiwilligen Leistungsverzicht des Unison nichts anmerken. Selbst an der großen KEF wirkte alles breitbandig und ausgewogen.

Kaufberatung: Röhren-CD-Spieler im Test

Dabei erschienen Stimmen sowie Naturinstrumente körperhaft und warm, aber keinesfalls gesoftet oder in Zuckerwatte gepackt. Der Bass besaß nicht jenen fast schon gnadenlosen Punch, mit dem der Diäthappen von Pathos ungläubiges Kopfschütteln auslöste. Aber er verfügte über genug Tiefgang und Kontur, um es mit manchem Schwergewicht aufzunehmen, das weit mehr Watt in die Waagschale warf.

Wer den Grenzbereich zur Überlastung überschritt, erntete allerdings Schelte - die vornehme Röhren-Noblesse wich dann schärferen Tönen. Immerhin brach das plastische Klangbild nicht vollständig in sich zusammen, auch das Timing nahm keinen Schaden.

Für maximale Freude mit diesen äußerst attraktiven Italien-Exporten braucht es ein nicht zu großes Hörzimmer und eine wirkungsgradstarke Box. Das gilt für den Simply Italy stärker als für den INPOL Remix, dessen Standfestigkeit regelrecht Verblüffung auslöste. Positiv: Beide Amps reagierten unkritisch auf komplexe Last. Das erleichtert den Boxenkauf, denn die Empfindlichkeitsangaben sind verlässlicher als Nennimpedanzen.

Tipp für den Unison: die Cabasse Minorca. Und der flotte Remix kann damit gar Bunga-Bunga im Bungalow.

Fazit zur Pathos Inpol Remix und Unison Simply Italy

Weniger ist mehr! Die Leistung der beiden temperamentvollen Italiener steht in reziproker Relation zum Spaß, den sie verbreiten. Der Unison spielt genial für den Preis, der Pathos ist schlichtweg der Hammer. Kleiner Giganten für alle, die es al dente mögen.

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