Kombi-Test
Vor- und Endstufe von Audio Research
Röhrenverstärker gibt es viele. Nur wenige davon kann man jahrzehntelang nutzen, aber noch kleiner ist die Zahl derer, bei denen man das auch wirklich wollen würde. Audio Research gelingt der Bau solcher Raritäten regelmäßig. Im Test die wunderschöne Vor-Endkombi LS-27 / VS-115.
Die Testkandidaten im Überblick
Lange, kalte Winter sind nicht nur gut für den Verkauf von HiFi-Geräten, sie helfen auch bei deren Entwicklung. Das gilt für allem für die Arbeit an Röhrenverstärkern, die naturgemäß große Mengen an Abwärme produzieren. So bringt ihre Heimatstadt Minneapolis im kontinentalen Norden der USA der Audio Research Corporation einen Standortvorteil, den die Firma seit über 40 Jahren auch zu nutzen weiß: Zwar baut sie mittlerweile auch hervorragende Transistorgeräte und sogar moderne, kühl laufende Schaltverstärker. Die wahre Verkörperung ihres Könnens findet sich aber in den Röhrenamps, die neben viel Hitze stets auch etwas Reifes, Endgültiges, in sich Ruhendes ausstrahlen.
Der zeitlose Look, der selbst Jahrzehnte auseinander liegende ARC-Geräte harmonisch im selben Rack koexistieren lässt, leidet nicht einmal unter dem riesigen, grünen Matrixdisplay, das die Front der Vorstufe LS-27 schmückt. Missen will man die moderne Zutat bald sowieso nicht mehr: Lautstärke, Balance, die Polarität der Ausgänge lässt sich darauf vom Hörplatz aus ablesen.
Auch für Monobetrieb, den gewählten Eingang und ob dort XLR oder Cinch anliegt, sowie den je Eingang dreistufig einstellbaren Verstärkungsfaktor hat die Leuchttafel, die sich auf Wunsch nach einigen Sekunden selbsttätig verdunkelt, unmissverständliche Meldungen parat.
Alle erwähnten Funktionen sind fernbedienbar, was die LS-27 zu einer der komfortabelsten Vorstufen macht. Selbst die Betriebsstundenzahl bleibt nicht im Dunkeln, sondern lässt sich mit dem "Hours" Knopf ins Display rufen. Was freilich keine Nervosität erzeugen soll - die beiden 6H30-Doppeltrioden, in Russland einst für Militärzwecke entwickelt, sind sehr robust und normalerweise für viele tausend Musikstunden gut.
In der LS-27 bilden die zwei Röhren eine symmetrische Ausgangsstufe, von den Ausgangsbuchsen nur durch vier fette Folienkondensatoren getrennt. Aus Röhrensicht stromaufwärts liegt neben extrabreiten und -dicken Leiterbahnen auch etwas Silizium im Signalweg: JFET-Transistoren puffern und symmetrieren nötigenfalls die Eingangssignale, vier Stellchips - für jede Signalhälfte und jeden Kanal einer - regeln den Pegel.
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Die wuchtige, durchweg höchstwertige Bestückung der Hauptplatine ist eine Augenweide, die an der vor Buchsen starrenden Rückwand Fortsetzung findet: Die LS-27 ist mit sechs jeweils symmetrisch oder unsymmetrisch nutzbaren Line-Eingängen, einem ebensolchen Heimkino-Direkt-Input, einem Monitoreingang sowie vier Ausgangs-Stereopaaren auch riesigen Anlagen gewachsen. Die "Phono"-Buchsen bedeuten allerdings nur die Einladung, hier doch einen externen Phono-Preamp anzuschließen - vorzugsweise natürlich von Audio Research, etwa den furchterregend dynamischen PH-6.
Wenig zu bedienen gibt es naturgemäß an der Endstufe VS-115 - sieht man einmal von der gelegentlich notwendigen Ruhestromkontrolle und -Justage ab, die hier über Voltmeter und tückisch tief im Topdeck versenkte Trimmpotis erfolgt. Tückisch deshalb, weil die Zugangsöffnungen von gleich vier bulligen, im Betrieb kochend heißen KT-120 umstellt sind. Je Kanal, versteht sich.
Derselbe Röhrentyp findet sich in halber Stückzahl auf der Octave RE-290 aus dem letzten Heft. Was freilich nicht bedeuten muss, dass die VS-115 deshalb doppelt so dynamisch spielt. Im Vergleich der beiden Amps war es vielmehr die Octave, die die Tester immer wieder mit knallharten Snare-Impulsen zum Blinzeln brachte, wenn das supersaftig aufgenommenen Karate-Album "Unsolved" lief. Über das gesamte Frequenzband unglaublich straff, fast autoritär in der Platzierung jedes Schlagzeugbeckens und Gitarrenverstärkers, bildete die deutsche Endstufe mit Rock den Gegenpol zur basskräftigeren, aber auch weniger explosiv und fast etwas zu weich musizierenden Amerikanerin.
Mit Händels "Acis & Galatea" (HD-Download, Linn Records) wandte sich das Blatt zugunsten der ARC: Die schwierig wiederzugebenden Chorpassagen kündigten bereits an: Mit dem Amp kann man die Platte nicht nur durchhören - man muss. Sofort. Die vollen 95 Minuten. Nachts, zwei Tage vor Redaktionsschluss, im fensterlosen, wenig heimeligen AUDIO-Hörraum.
Aus den bewährten Reference 207 von KEF kam ein audiophiles Schlaraffenland: Weich, seelenvoll und auf weiter Bühne erstand ein exaktes, eben nicht aufgeblähtes, sondern die Bescheindenheit des kleinen Ensembles unterstreichendes Bild des Dunedin Consort. Den Zauber der Aufnahme musste man nicht mühsam heraushören - Atemgeräusche, feinste Bogenstriche, Simmnuancen und Raumanteile kamen einfach herbeigeflogen wie gebratene Tauben, die Töne schienen das Zweckmobiliar zu umranken wie reife Trauben.
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Die LS-27 unterstützte den den wohligen Schauer mit perfekter Transparenz, gepaart mit urtümlicher Kraft und riesigem Größenmaßstab. Die Vorstufenfrage ist damit schnell beantwortet, ein No-Brainer, wie der Amerikaner sagt: Was, wenn nicht eine Audio Research?
Fazit
Nach einem Test der VS-115 hat es mich schon lange gelüstet - das Upgrade auf die neuen KT120-Endröhren war der ideale Anlass. Die 115 ist tatsächlich die kleinste Röhrenendstufe im Audio-Research-Programm, aber zumindest in meinen Augen mit Abstand die schönste. Wer sie gehört hat, versteht auch, warum die Amerikaner keine billigere bauen: Aus dem gleichen Grund, will man nämlich plötzlich auch nichts billigeres mehr kaufen. Ein Argument, das 1:1 auch für die fabelhafte LS-27 gilt.
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