Testbericht

Weiss MAN301: Musikserver im Test

12.9.2012 von Bernhard Rietschel

Der Schweizer Hersteller Weiss Engineering gilt unter High-Endern noch als Geheimtipp. Das kann sich mit dem brandneuen Musikserver MAN301 schnell ändern. Wir haben den Test.

ca. 6:35 Min
Testbericht
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WEISS MAN301
Der Schweizer Hersteller Weiss Engineering gilt unter High-Endern noch als Geheimtipp. Das kann sich mit dem brandneuen Musikserver MAN301 schnell ändern. Wir haben den Test.
© Weiss

Pro

  • Sehr leistungsstarke, komfortable Serverfunktion
  • Souveräner Klang

Contra

  • Internetradio momentan nur umständlich via URL-Eingabe

Schon einen rundherum perfekt funktionierenden Netzwerkplayer zu bauen ist gar nicht leicht. Auf klanglich höchstem Niveau und zugleich ohne ernsthafte Lücken im Bedienkonzept haben das aktuell gerade mal eine Handvoll Hersteller geschafft.

Noch anspruchsvoller wird die Aufgabe, wenn es nicht um einen Netzwerkspieler, sondern um einen Musikserver geht. Musik von einem Festplattenarchiv spielen sollen beide, und auch die Forderung nach möglichst großer Flexibilität hinsichtlich Dateiformaten und Abtastraten bleibt unverändert.

Der Musikserver muss seine Festplatten-Mediathek aber im Gegensatz zu seinem Netzwerkplayer-Kollegen auch noch selbst anlegen und verwalten, sich neue CDs möglichst vollautomatisch einverleiben, diese mit den richtigen Infos zu Künstler, Titeln et cetera versehen und das Ganze nachher auch über eine möglichst intuitive Bedienoberfläche zugänglich machen.

Warum dann nicht gleich einen PC oder Mac mit iTunes nehmen? Daniel Weiss lässt beides gelten, und das ist schonmal angenehm: Der Schweizer, dessen digitale Mastering-Werkzeuge - vom A/D-Wandler bis zum Equalizer - in praktisch jedem renommierten Studio zu finden sind, erspart auch seinen audiophilen Endverbraucher-Kunden jede dogmatische Meinungshuberei.

Computer-Audiophile klassischer Prägung, die den Umgang mit Tastatur und Monitor nicht als störend empfinden, bekommen von ihm überragende D/A-Wandler mit modernsten USB- und Firewire-Schnittstellen, etwa den DAC202, den AUDIOs Schwesterzeitschrift stereoplay jüngst testete. Da der 202 aber im hier getesteten MAN301 vollständig enthalten ist, kommen AUDIO-Leser trotzdem nicht zu kurz, sondern in den Genuss des noch kompletteren Geräts, gewissermaßen des Director's Cut.

Weiss MAN301 im Test: einfache Bedienung und Einrichtung

Wobei Direktor Weiss penibel darauf geachtet hat, dass man den MAN301 - Studio-Gene hin oder her - auch ohne Ingenieurspatent bedienen kann. Die alltägliche Steuerung, aber auch sämtliche Grundeinstellungen erfolgen über ein iPad-App, das hinter einer schlichten Oberfläche enormen Komfort und eine ebenso große Funktionsvielfalt verbirgt. Ist doch einmal etwas unklar, liegt das detaillierte Handbuch als eBook nur einen Klick entfernt.

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Dass die erste Inbetriebnahme trotzdem verwirrend ist, dafür kann der 301 nur indirekt etwas: Verwirrend ist nämlich nur, dass alles so einfach geht. Auspacken, Netz-, LAN- und Audiokabel dran, und schon findet das Steuer-App den Musikserver, der sich bereits selbsttätig an das vorgefundene Netzwerk-Szenario angepasst hat. Im Normalfall besteht das aus einem Router, der dem 301 nebenbei Zugang ins Internet (für Radio, Album-Infos und allfällige Updates) gewährt, und irgendeinem im Heimnetz verbundenen Speichergerät, typischerweise einer NAS-Platte.

WEISS MAN301
Darf auch mit ins Studio: Die Analogausgänge (links) sind bei Bedarf enorm laut und zugleich extrem rauscharm. Wer einen noch besseren Wandler anschließen will, findet neben den Digitaleingängen auch entsprechende Outputs - inklusive professionellen Wordclock-Buchsen zur Taktsynchronisierung.
© Weiss

Auf eingebaute Speichermedien hat Weiss bewusst verzichtet. Im 301 selbst befindet sich zwar ein geräuschloses, schnelles SSD, das aber nur zwei Aufgaben erfüllt: Es trägt das Betriebssystem des Servers, und es dient als Zwischenspeicher beim Einlesen ("Rippen") neuer CDs. Ist dieser Prozess samt akribischer Prüfung und Konvertierung in ein wählbares Speicherformat (voreingestellt ist FLAC) beendet, landet das Abbild der CD umgehend und vollautomatisch auf dem NAS. Vorteil der externen Speicherung: Sie kann irgendwo stehen, wo eventuelle Geräusche nicht stören, ist beliebig und preiswert erweiterbar und kann mit einer auf den jeweiligen Nutzer zugeschnittenen Backup-Lösung gesichert werden.

WEISS MAN301
Messlabor: Die Frequenzgänge des Weiss (o.Abb) verlaufen schnurgerade, der Rauschabstand liegt an der Messgrenze - 127dB (XLR) sind der beste Wert, den das Labor je ermittelt hat, darüber erhebt sich nur homöopathischer Klirr (1). Optimale Ausgangswiderstände (57O Cinch, 94O XLR) und hohe Ausgangsspannung (3,8/7,6V) machen den 301 universell einsetzbar, der Jitter ist via Koax und Firewire exzellent, über Netzwerk etwas schlechter (180/400p, 2).
© WEKA Media Publishing GmbH

Weiss MAN301 im Test: Musiksammlungen erweitern

Existierende Musiksammlungen lassen sich mühelos hinzufügen: Man tippt sich einfach zum entsprechenden Netzwerk-Ordner durch, klickt "add mount" - und schon bezieht der Weiss sie in seine Bibliothek ein. Nutzen mehrere Personen den Server, können diese auch individuelle Repertoires festlegen. Hat der Hausherr abends hohen Besuch, bleibt diesem beim genüsslichen Durchscrollen der Interpretenliste nicht der Weinbrand im Hals stecken, denn Bands wie - huch!- Bolt Thrower, Bloodbath, Autopsy, Decapitated oder auch Necrophagist samt passendem Cover und in - schluck! - MP3s können diskret verborgen bleiben.

Praxis: Musikarchiv anlegen und ordnen

Jene heikle Death-Metal-Sammlung vom Jugendzimmer-PC wäre dann etwa nur sichtbar, wenn Nutzer "Bertrand" (so nennen wir ihn mal) sich angemeldet hat - der dann seinerseits vielleicht Esther Ofarim in HD vor dem Hohn seiner Kumpels schützt, indem er Papas audiophilen NAS-Giftschrank ausblendet.

Weiss MAN301 im Test: Bedienung via iPad

Die Kommunikation mit dem 301 lief schon über die noch recht frühe Testversion des Apps absolut problemlos: Der große Tablet-Bildschirm wird hervorragend genutzt, die Bereiche etwa für Auswahl- und Wiedergabelisten lassen sich frei skalieren, Playlisten a la iTunes anlegen und speichern, mit einem lässigen Wisch zum vorigen oder nächsten Titel springen, mit einem ebenso ungezielten Taps die Musik pausieren und so weiter.

Selbstverständlich kann der Hörer beliebige Stellen in einem Stück durch Ziehen des Zeit-Schiebers ansteuern, und auch die Gapless-Wiedergabe funktioniert hier perfekt. Live- und Konzeptalben laufen also mit lückenlos fließenden Track-Übergängen. Einziger kleiner Haken an der Fixierung aufs iPad: Ohne das Zaubertablett wird der Weiss zum Autisten, da er weder konventionelle Bedienelemente noch ein eigenes Display besitzt. Man ist also gut beraten, sich ein iPad wirklich nur für den Server zuzulegen und eventuelle weitere Begehrlichkeiten - Kochrezepte, Spiele, Facebook-Chats auf der Terrasse - mit zusätzlichen Exemplaren zu befriedigen.

Weiss MAN301 im Test: Hörtest

Da die Tester den DAC202 schon aus dem Nachbar-Hörraum kannten, erwarteten sie beim Hörtest des eng verwandten MAN301 keine riesige Überraschung. Doch wo immer man sich auf den Streifzügen durch den wunderbar übersichtlich präsentierten Inhalt des AUDIO-Hörraumservers mit seinen 30.000 Titeln hinverirrte, mochte man gleich länger verweilen - und dann doch staunen, wie souverän-geräumig und individuell charakterstark er jede Aufnahme durchleuchtete und zugleich druckvoll groovend zum Leben erweckte.

Angeschlossen war der MAN301 direkt über seine XLR-Outputs an der Ayre-Endstufe V-5XE, diese wiederum an den gewohnten Reference 207/2 von KEF - die freilich alles andere als gewöhnlich klangen. Genauer gesagt haben die KEFs selten so befreit, dynamisch und zugleich unaufdringlich gespielt wie an dieser denkbar geradlinigen, nur aus zwei Geräten bestehenden Kette. Es sind diese Anlagen, die selbst nach 20 HiFi-Jahren Zeit, Termine und das ganze Drumherum vergessen lassen, und die aus lange übersehenen Serverleichen funkelnde Highlights machen.

WEISS MAN301
Harmonisches Miteinander: PC-Board und Firewire-Karte (links vorne) kauft Weiss zu, das Linux-basierte Betriebssystem wird wie die Steuer-App im eigenen Haus programmiert. Die DSPund DAC-Platinen hausen rechts hinten, letztere (Ausschnitt) beschäftigt den achtkanaligen Sabre 9018 als Wandler - je vier Kanäle arbeiten dabei für einen Stereokanal. Der Lüfter startet nur in Extremfällen - im Test war der 301 (außer beim Rippen) grabesstill.
© WEISS

Diesmal war es das Album "Afterglow" von Dr. John, dessen Bigband-Arrangements mit ihrer Frische und Präsenz verblüfften, und mit dem sich auch Unterschiede zum ebenfalls direkt an der Endstufe arbeitenden Netzwerkspieler Linn Akurate DSM abzeichneten: Der Schottenplayer wirkte noch präsenter und vitaler, was vor allem - etwa auf "Blue Skies" - den Piano-Solos des Meisters gut stand. Hier wirkten nicht nur die Anschläge kerniger, der Flügel erschien auch insgesamt noch realer auf der gedachten Bühne - samt Brokatdeckchen, Kerzen, Totenschädel und weiteren Voodoo-Accessoires, die das Instrument bei Live-Auftritten gewöhnlich veredeln.

Praxis: Alles über D/A Wandler

Kein Voodoo war freilich, dass der Weiss je nach Aufnahme auch mal den souveräneren, entspannteren Eindruck machte als der Linn. Besonders bei dichten, im Bass turbulenten Aufnahmen wie dem packenden "Make" des kanadischen Oktetts Do Make Say Think (vom 2009er-Album "Other Truths"): Der über zehn Minuten an- und wieder abschwellende, von zwei Schlagzeugern in raffinierter und kontinuierlich variierter Zündfolge angetriebene Titel entwickelte über den MAN301 ein absolut majestätisches Format, das auch auf den lärmigen Passhöhen nicht im Geringsten in Kurzatmigkeit verfiel.

Klein besetzte Aufnahmen ließen dann wieder den Linn seine unerklärliche Magie entfalten: Fabelhaft deutlich, bis ins feinste Saitenschnarren gezeichnet, beschwor der Akurate die klagenden Töne aus der Lyra kretischen Musikers Psarantonis herauf (Psarantonis & Ensemble Xylouris - "Mountain Rebels", Raki Records). Der Weiss verlieh Psarantonis' brüchiger Stimme etwas mehr Schmelz, der Linn erhöhte das intuitive Zusammenspiel der Musiker zu einer Art kollektiver Trance - ebenso unnötig wie unmöglich war da zu entscheiden, wo denn nun die Wahrheit liegt.

Weiss MAN301 im Test: Fazit

Klar, dass der MAN 301 seine Qualitäten auch als D/A-Wandler - auch und gerade über Firewire und USB - zeigt. Das bequeme Handling als Musikserver lässt jedoch keine Sekunde lang den Wunsch nach einem separaten Rechner oder irgendeinem anderen Zuspieler aufkommen. Genauso wenig vermisst man angesichts der perfekten und über einen riesigen Ausgangsspannungs-Bereich arbeitenden Lautstärkeregelung je eine separate Vorstufe - außer natürlich für rein analoge Quellen.

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