Plattenspieler
Transrotor Classic.3 mit SME V9 + TA Merlot im Test
Einige Transrotor-Plattenspieler sehen einfach "rattenscharf" aus. Für den völlig neu überarbeiteten Classic gilt das erst recht. Aber das ist noch nicht mal das Beste an dem schicken Acryldreher.
Große Musiker gab es zu allen Zeiten. Musiker, die stilbildend wirken, sind allerdings deutlich seltener. Die Beatles gehören in diese Ausnahmekategorie, sicher auch Toscanini, Glenn Gould oder Miles Davis. Bei Plattenspielern sieht das ähnlich aus: Nur wenige Konstruktionen haben den Lauf der Dinge nachhaltig verändert und wurden so zu Kultgeräten. Man denke an den Technics SL-1210MK2 und den Linn LP12 oder aber an den Transrotor AC und seinen legitimen Nachfolger, den Transrotor Classic.
Als ich zum ersten Mal einen Transrotor AC zu Gesicht bekam, war eigentlich nichts mehr wie zuvor. Eine vergleichbare Wirkung hatten zu dieser Zeit vielleicht noch die "Drei Engel für Charlie". Der Acryldreher von Transrotor sah dabei fast noch heißer aus als Farrah Fawcett und war gleichzeitig unfassbar cool. Der AC wurde so völlig zu Recht zum Kultgerät und zur Urform aller Acrylglas- Plattenspieler. Kurzum: Der AC war stilbildend.
Etwa zehn Jahre nach dem AC erschuf Jochen Räke den Transrotor Classic, den es von Anfang an in den Ausführungen Classic Chrom und Classic Gold gab. Inklusive SME-MK2- Arm kostete er rund 4000 DM. Der Classic ging zurück auf eine Anfrage der Firma Grundig, die eine adäquate Plattenspieler-Ergänzung für ihre damals hochgelobte Fine-Arts- Serie benötigte (siehe den Historien-Abschnitt, Seite 43).
Zusammen mit dem AC ist der Classic das bis heute populärste Transrotor-Gerät. Über 4.000 Exemplare wechselten im Laufe der Jahrzehnte den Besitzer. Der Classic ließ die Gene des AC von Anfang an acrylklar durchscheinen, gab sich aber weniger verspielt und noch puristischer. Ähnlich war beiden Geräten die Grundkonstruktion mit einer Basis aus hochstabilem Plexiglas, einem Wechselstrommotor mit hoher Masse und einem Antrieb mit Rundriemen.
Abkehr vom AC
Gänzlich anders als beim AC fiel beim Classic der Plattenteller aus: Räke nahm hier einen resonanztechnisch äußerst sorgfältig gefertigten Präzisions- Acrylteller, bei dem er die für Transrotor-Geräte charakteristischen Gewichte auf die Unterseite des Tellers verlagerte. Der Grund: Die schwindsüchtigen LP-Pressungen der 80er- Jahre wären zwischen den Gewichten auf der Oberseite glatt durchgehangen.
Der neue Classic.3 (Modell 2014) ist die inzwischen dritte Evolutionsstufe. Allerdings hat Jochen Räke seinen Bestseller nicht nur facegeliftet, sondern gleich in allen Details neu durchdacht und entsprechend verbessert. Das und die Tatsache, dass der Classic.3 nur in Kleinstserie gefertigt wird, erklären den kräftigen Preissprung zumindest teilweise. Voll aufgetakelt - mit dem derzeit besten SME-Arm V9 und dem Transrotor-Moving-Coil-System Merlot, mit Acrylhaube und Netzteil - beläuft sich das Testmuster auf nunmehr 14215 Euro. Das ist gerade für einen wieder aufgelegten Klassiker eine hübsche Stange Geld. Doch bei genauer Betrachtung hat ja der Classic.3 mit seinem Ahn aus Grundig-Tagen nur noch wenig zu tun. Es ist vielmehr das derzeit modernste Räke-Laufwerk - halt nur mit einem seit vielen Jahren bekannten Äußeren.
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Alles, was man anfasst, fühlt sich am Classic derart edel, satt und für die Ewigkeit gebaut an, dass man seine Finger überhaupt nicht mehr davon lassen mag. Es ist ein großes sinnliches Vergnügen, mit den Händen über die perfekt gefertigten Metallteile aus Messing und Bronze zu streichen, deren ebenfalls perfekt hochglanzpolierte und verchromte Oberflächen wie permanente Netzhautpflege wirken. Das gleiche überragende Qualitätsgefühl vermitteln auch die Haube und die Acrylglas-Grundplatte.
Apropos Acrylglas-Grundplatte: Für den Classic.3 verwendet Jochen Räke eine Basis, die mit einer Stärke von 2,5 Zentimetern deutlich massiver als beim Vorgängermodell ausfällt. Die Füße, auf denen das Chassis ruht, gerieten ebenfalls eine Nummer größer: Sie besitzen mehr Durchmesser und sind entsprechend schwerer und stabiler. Auch beim Plattenteller des Classic.3 legte Transrotor noch ordentlich einen drauf: Er gewann deutlich an Materialstärke und weiterer Solidität.
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Der Teller des Classic.3 kommt erstmals mit fünf anstelle der sonst üblichen sechs Gewichte aus. Räke hat festgestellt, dass sich das Resonanzverhalten des Tellers so verbessert. Da die fünf Gewichte insgesamt zwei Kilogramm mehr auf die Waage bringen als die ursprünglichen sechs, verbessert sich gleichzeitig die dynamische Masse. Gerade bei sehr dynamikreichem Musikmaterial mit starken Rillenauslenkungen verbessert sich so der "Durchzug". Nach Meinung von Räke bremsen solche Stellen auf der Platte. Messtechnisch sei das nicht nachweisbar, aber hören könne man das.
Eine weitere wichtige Neuerung ist das Plattentellerlager, das aus dem Transrotor Zet 3 stammt. Nach Aussage von Räke soll die Achse aus gehärteten, hochglanzpolierten Wälzlagerrollen viel ruhiger und präziser arbeiten als bei den vorherigen Classic-Ausführungen. O-Ton Räke: "Es liegen Welten dazwischen."
Geht los wie eine Rakete
Auch klanglich taten sich neue Welten auf: Der Classic.3 spielte fein- und grobdynamisch in einer völlig anderen Liga als seine Vorgängermodelle. Donnerwetter: Bass-Attacken haben wir von einem Räke schon lange nicht mehr mit einem derartigen Verve gehört. Der Classic.3 groovt, swingt und reißt mit, dass es nur so eine Freude ist. Da macht ihm auch der ebenfalls im Heft getestete EAT Forte nichts vor. Im direkten Vergleich schien dieser etwas langsamer zu spielen, wenngleich feiner mit noch mehr sonoren Klangfarben und räumlich großzügiger. Für Klassik ist diese Gangart sicherlich passender, der Räke ist so ewas wie die erste Wahl, wenn man vor allem Pop und Jazz hört.
Der neue Classic.3 markiert einen Sprung nach vorne, vergleichbar demjenigen etwa, den die Beatles von "Help" zu "Rubber Soul" machten. Jochen Räke und sein Team haben dabei auf alles Überflüssige verzichtet und die klassische Aura ihres legendären Plattendrehers unangetastet gelassen. So kommt man mit Stil zum Ziel.
Der Autor: Marius Dittert
Marius Dittert war Mitglied der stereoplay-Redaktion von 1995 bis 1999. Zuerst als Praktikant, später als Volontär und Testredakteur, unterbrochen nur durch ein kleines Intermezzo bei der AUDIO (1996/'97). Der Analogfan blieb der stereoplay stets freundschaftlich verbunden und schrieb auch für AUDIOphile. Heute arbeitet er bei den Rene Staud Studios in Leonberg.
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