Standlautsprecher
Thiel CS 2.7 im Test
Bei der neuen CS 2.7 legt der amerikanische Boxenspezialist Thiel den Fokus auf Neutralität und Zeitrichtigkeit. Die Konstruktion ist penibel durchdacht, der Klang rein und gediegen.
Eine High-End-Box darf sich bekanntlich weder tonal noch dynamisch ernsthafte Schwächen erlauben. Auch deshalb gehören Frequenzgangmessungen und Klirrdiagramme für uns Tester zur Routine. Doch auch Fehler im zeitlichen Gefüge können unser Gehör mächtig irritieren. Während Elektronikbausteine selten in klanglich relevanter Weise an der Zeitachse drehen, sind Lautsprecher sehr viel kritischer zu sehen. Frequenzweichen bewirken häufig Phasendrehungen und damit Zeitfehler. Bei den meisten Mehrwegeboxen variieren die Entfernungen zwischen den Schallquellen und dem Ohr des Hörers mit dem Raumwinkel. Auch dadurch gerät das zeitliche Gefüge durcheinander.
Thiel CS 2.7: Aufbau
Die Boxenhersteller kennen die Probleme, doch nur wenige bekämpfen sie so konsequent wie die amerikanische High-End-Manufaktur Thiel in der neuen CS 2.7. Die Säule ist etwas kleiner und ein Drittel günstiger als das Topmodell CS 3.7 , das AUDIO bereits im November 2011 testen konnte. Highlight und Hingucker zugleich ist der unverändert übernommene Zweiwege-Koax in flacher Ausführung, der ohne tonal heikle Schallführungen auskommt. Durch die koaxiale Bauweise sind Entfernung und Laufzeit zum Ohr unabhängig vom Raumwinkel. Dass der Bass im unteren Teil der Box erzeugt wird, spielt angesichts der großen Wellenlängen in diesem Bereich keine Rolle.
Die Mitteltonabteilung nutzt eine der Stabilität wegen wellenförmig geprägte Membran aus Aluminium, die von einer riesigen Schwingspule angetrieben wird. Die erforderlichen Feldstärken liefert ein Ringmagnet, der manchem Basstreiber zur Ehre gereichen würde. Den Hochtöner kontrollieren fünf platzsparende Magnetpillen aus Neodym. Die Schwingspulen aller Treiber sind mit geringer Höhe gewickelt, was zwangsläufig knappe Leiterlängen ergibt. Die somit geringe Ausnutzung der Felder muss durch starke Magnete kompensiert werden. Die puristische Auslegung sichert lineare Kraftverhältnisse selbst bei extremen Membranauslenkungen. Und der vornehme Mitteltöner kann nach Aussagen des Herstellers bis zu 20 Kilohertz ohne störende Peaks und Einbrüche abstrahlen.
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Das macht Sinn, weil Thiel in der CS 2.7 zeitschonende Filter erster Ordnung einsetzt, die gegen Chassisfehler ziemlich machtlos sind. Das Konzept der sanften Filter bezieht sich ausdrücklich nicht auf theoretische Steilheiten und ideale (ohmsche) Bauteile, sondern auf die tatsächlichen, durch akustische Messungen belegbaren Verhältnisse. Weil Chassis und Gehäuse frequenzabhängig schwankende Lasten bilden, sind für das gewünschte Ergebnis am Ende trotz vermeintlich "einfacher" Filter etwa 30 Bauteile erforderlich.
Bässe verarbeitet die CS 2.7 über einen 8-Zoll-Konus mit hochfester Alumembran und gigantischen Hubfähigkeiten. Zusätzlich ist eine riesige ovale Passivmembran verbaut, die ihre Antriebsenergie über die im Gehäuse eingeschlossene Luft von ihrem elektrisch angetriebenen Kollegen bezieht. Die aus klangneutralem Hartschaum gefertigte Membran ist in zwei hintereinander montierten Gummisicken weich gelagert. Das System besitzt eine definierte Masse, die vergleichbar der Luftsäule eines Bassreflextunnels nur bei sehr tiefen Frequenzen nennenswert Energie aufnehmen und abstrahlen kann.
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Der Vorteil gegenüber Bassreflexsystemen: Es gibt keine Strömungsgeräusche. Das Gehäuse, das Thiel wie die Treiber selbst herstellt, besteht aus hochfesten MDF-Platten, die zu mehreren Lagen verleimt werden. Teilweise sind die Wände über sieben Zentimeter stark. Die Verarbeitung erfolgt mit Hilfe von CNC-gesteuerten Werkzeugmaschinen, mit denen normalerweise Metallteile hergestellt werden. Damit, so der Hersteller, lassen sich Gehäuse wesentlich präziser fertigen. Individualisiert wird das Ganze durch eine Vielzahl ausgesuchter Furnierarten, von denen immerhin fünf aufpreisfrei angeboten werden.
Thiel CS 2.7: Hörtest
Beim Hörtest kam neben zahlreichen anderen der Titel "Ghosts" der kanadischen Sängerin Caroline Keating (Glitterhouse) zum Einsatz, der über mittelprächtige Boxen meist nicht sonderlich inspiriert klingt. Die CS 2.7 übertrug das hochklassige Werk mit einer Hingabe, die so nur den wenigsten Schallwandlern gelingt, auch solchen, die deutlich mehr kosten. Keatings brillante Stimme und ihr dynamisches Klavierspiel entfalteten eine rhythmische Vielfalt und Klangfarbenpracht, als wären Verdeckungseffekte bei Lautsprechern nie ein Thema gewesen.
Die CS 2.7 ging alle Verzweigungen mit, staffelte räumlich mit entwaffnender Plastizität und schien sich dabei nicht mal sonderlich anstrengen zu müssen. Hier stand ohne Zweifel ein Ausnahmewandler vor den Testern, der zwar keine Mörderpegel mochte, der dieses Mini-Manko aber durch seine grandiose Homogenität mehr als wett machte. Doch der Eindruck, dass "bei gehobenen Pegeln etwas fehlt", täuschte, denn durch ihren Verzicht auf Pseudodynamik und Härte wirkte die Thiel subjektiv zurückhaltender als es den Tatsachen entsprach. Das bekamen besonders jene Kollegen zu spüren, die sich während des Hörtests untereinander verständigen wollten. Sie mussten ihre Stimme mächtig heben, um neben der ach so sanften CS 2.7 Gehör zu finden. Man kann es nicht deutlich genug sagen: Diese Spitzenbox wird Kenner ganz lässig um den Finger wickeln.
Fazit
Es gibt in der Nobelliga Boxen, die einen klanglich stärker anspringen und exorbitante Pegel brachialer umsetzen. Doch bei der Natürlichkeit macht der CS 2.7 so schnell kein Wettbewerber etwas vor. Diese Ausnahmebox liefert Homogenität in Reinkultur. Und wie hoch ist der Spaßfaktor? Der Kenner schweigt und genießt.
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