Testbericht
McIntosh XR100 im Test
McIntosh präsentiert mit dem Standlautsprecher XR100 eine extrem anspruchsvolle Konstruktion. Wir haben die Transmissionline-Box unter die Lupe genommen.
Wenn es eine Ikone der amerikanischen High-End-Elektronik gibt, dann ist es eindeutig McIntosh: Die massigen Endstufen mit den blau leuchtenden Zeigerinstrumenten haben einen ikonografischen Wiedererkennungswert, wie er nur wenigen HiFi-Geräten vergönnt ist. Da ist es naturgemäß nicht einfach, einen ähnlichen Status auch mit der Lautsprecherserie zu erreichen. Dabei muss sich die neue XR100 weder hinsichtlich der technischen Raffinesse noch der optischen Einzigartigkeit hinter den Verstärkern aus gleichem Haus verstecken. Im Gegenteil, die McIntosh-Ingenieure bauten mit dem Multi-Array im Mittelhochtonbereich eine extrem anspruchsvolle Konstruktion.
Und das nicht ohne Grund. Denn wer McIntosh-Elektronik sein Eigen nennt, hört oft auch in großen, nicht immer bedämpften Räumen bei fu?rstlichen Hörabständen. Herkömmliche, breit abstrahlende Boxen haben da oft das Nachsehen, und Mittelhochtonoder gar Vollbereichshörner entsprechen nur selten den ästhetischen Vorstellungen.
McIntosh XR100: Aufbau
Die XR100 stellt dem das Konzept eines Multi-Driver-Arrays entgegen, bei dem zehn Titan-Inverskalotten im Fu?nf-Zentimeter-Format in trickreicher Anordnung und Beschaltung fast den gesamten Stimm- und Obertonbereich wiedergeben. Zugleich sorgen die Kalotten fu?r eine homogene Fokussierung im Raum. Das Bu?ndelungsverhalten ähnelt dabei dem Konzept der um den Hochtöner gruppierten Mitteltöner a la D' Appolito, wurde aber an entscheidender Stelle zugunsten einer homogeneren Abstrahlung verbessert.
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Nur im Superhochton werden die Mitteltöner von einer 19-Millimeter-Titankalotte unterstu?tzt sowie von einem Quartett von 17-Zentimeter-Bässen unterhalb 300 Hz. Diese Anordnung hat neben der Verwendung besonders kleiner, impulsschneller Bässe den Vorteil, dass zumindest im Oberbass vertikal eine gewisse Richtwirkung eintritt, die den Übergang im Abstrahlverhalten zum Mitteltöner-Array homogener gestaltet.
Weil Line Sources und ähnlich abstrahlende Konstruktionen tendenziell ein direkteres und subjektiv "schnelleres" Klangbild erzeugen, wurde auch im Tiefbass auf eine besonders impulsgenaue und zeitrichtige Wiedergabe Wert gelegt. Obwohl die ru?ckwärtige Öffnung des Gehäuses wie eine Transmissionline aussieht, ist sie ku?rzer als eine solche und ähnelt akustisch eher einem gegenu?ber dem Lehrbuch zu tief abgestimmten (bei 27 Hz) Bassreflex, dessen Resonatorfunktion allerdings akustisch kaum mehr wirksam ist und der die akustischen Vorteile von Reflex und Line zu verbinden sucht.
McIntosh XR100: Hörtest
Vor einer u?berzeugenden Hör-Session braucht die XR100 vor allem eines: Zeit. Beim schnellen Hineinhören in die in-akustik-CD "Voices" punktete die XR100 zwar bereits mit u?berragendem Timing, knackigem Bass und ungeahnter Direktheit, aber das Klangbild löste sich zu wenig von den Boxen, und mittige Stimmen tönten zunächst zerrissen. Hörabstand, Stereodreieck und Einwinkelung wollen bei einem solchen, fu?rs Fernfeld optimierten Boxenkonzept sorgsam austariert sein, bis sich eine hundertprozentig holografische Mittenabbildung einstellt. Hilfreich war eine hochwertige Mono-Aufnahme, hier Mahlers 4. Sinfonie (RIAS, dirigiert von Klemperer), die nach einigen Versuchen letztendlich bei vier Metern Hörabstand und leichter Einwinkelung so ertönte, als stu?nde eine einzige McIntosh in der Mitte der Stereobasis.
So optimiert, tönte die McIntosh auch in Stereo in einer anderen Klasse: Vergleichbar mit (deutlich teureren) Line Sources wie Backes&Mu?llers BM50, stellte sie, als wir Mark Knopflers Album "Shangri-La" abspielten, ein mu?helos von den Boxen gelöstes, völlig holografisch im Raum stehendes Klangbild vor, bei dem sich der druckvolle, nicht u?berschlanke, aber wunderbar präzise Bass nahtlos in das sehr direkte und brillant getimte Klangbild im Mittelhochtonbereich einfu?gte.
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Musikalische Details, wie die komplexen Chöre von Mahlers Achter Sinfonie (dirigiert von Tilson-Thomas), servierte sie nicht mit der letzten Ausleuchtung, sondern mit einem plausiblen Überblick auf das große Ganze und einer tendenziell verschlankten Stimmwiedergabe. Wobei auch hier wieder ihre Fähigkeit zur absolut genauen horizontalen Staffelung von 400 Musikern und ihre genau dosierte Dynamik, verbunden mit Nachdruck und Schnelligkeit im Bass, nicht nur Freunde von Hörnern und Flächenstrahlern verblu?fften.
Erst recht, wenn bei US-Rockmusik ebenso ein ganzheitliches Klangbild gefragt war: Bruce Springsteens "Born in the USA" tönte präsent und druckvoll aus der XR100, dabei von einer riesig breiten Bu?hne, wie man sie außerhalb des Live-Konzerts nur ganz selten erleben darf.
McIntosh muss man ab jetzt als Boxenhersteller ernst nehmen. Angesichts ihrer Fähigkeiten gerade in großen Räumen und schwieriger Raumakustik ist die XR100 jeden Euro doppelt wert und wird nicht nur McIntosh-Besitzern viel Freude bereiten.
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