Testbericht

Tannoy Glenair 10

12.8.2010 von Redaktion connect und Malte Ruhnke

Ein schimmerndes Horn bringt der neuen Tannoy bestechende Feindynamik - und eine wunderbar plausible Raumabbildung.

ca. 2:45 Min
Testbericht
  1. Tannoy Glenair 10
  2. Datenblatt
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© Archiv

Bereits im Jahr 1947 entwickelten die Ingenieure der britischen Traditionsfirma ein Koaxialchassis und tauften es "Dual Concentric". An diesem Konstruktionsprinzip hat sich auch bei der Glenair 10, Baujahr 2007, nichts geändert. Gleich zwei mystifizierte Attribute kombiniert die 4500 Euro teure Box: "Horn" und "Koax", unter HiFi-Fans oft als Garanten für Dynamik beziehungsweise Abbildung gehandelt. Und genau mit diesen Pfunden kann auch die Glenair wuchern ...

Alt und neu

Gegenüber anderen Koaxen fällt auf, dass der "Dual Concentric" selbst in einer so kräftigen Standbox ohne weitere Basstöner auskommen muss. Das erklärt wiederum seinen großen Durchmesser: Ein kleinerer Konus würde zu große Hübe machen, was den hohen Tönen unangenehme Modulationen aufzwänge. Um diese weiter zu verringern, arbeitet hier keine frei liegende Kalotte, sondern ein Horn in der klassischen "Tulip"-Form. Das richtet den Höhenschall bereits so stark, dass er weitgehend am Papiertrichter vorbeistrahlt. Dieser setzt den engen Winkel des Horns fort - fast ein Anachronismus angesichts der immer flacher konstruierten Koax-Konkurrenz etwa von Elac und Thiel.


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Neben den Bi-Amping-Klemmen hat die Tannoy einen Erdungsanschluss.
© Archiv

Horn und großer Konus ergeben in der Summe eine stärkere Bündelung, die akustische Vorteile bringt - dank der Trennung bei 2100 Hertz klappt das auch ohne größeren Sprung in der Abstrahlung. Das Terminal beherbergt eine fünfte Klemme - die hat mit der Leistungsübertragung nichts zu tun, sie dient der Erdung aller Metallteile inklusive Chassiskorb. Technisch ist ein Einfluss auf den Klang nur schwer nachvollziehbar - trotz anerkannt guten Wirkungsgrades wird es der Tannoy nicht gelingen, Hochfrequenz-Störungen in hörbaren Schall zu verwandeln. Wer aber in puncto Einstreuungen auf Nummer sicher gehen will, zieht ein zusätzliches Kabel vom Erdanschluss des Amps.

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Der Hochtontreiber sitzt hinter dem Tieftonantrieb - beide mit getrennten Anschlussklemmen.
© Archiv

Optisch hält die Glenair 10 die Waage zwischen Tradition und Moderne: Von der etwas schrulligen Vintage-Optik ihrer "Cousine" Turnberry (deren Zehnzoll-Treiber sich in Horntreiber und Trennfrequenz unterscheidet) hebt sie sich mit glatten Flächen, matt schimmerndem Kirschfurnier und klaren Linien ab. Auch der Gehäuseaufbau trennt beide: Die Turnberry baut mehr in die Breite als in die Tiefe, setzt auf leichte Wände, während die Glenair mit einer trapezoiden Grundform und einer akustisch stabilen Behausung technisch moderner daherkommt.

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Die glatten Holzflächen sind nicht retro, die per Magnet gehaltene Abdeckung ist es umso mehr.
© Archiv

Live and direct

Einigen Tannoys werden zuweilen Verfärbungen und suboptimale Durchhörbarkeit nachgesagt - das konnte die Glenair 10 relativ rasch widerlegen. Die schlank und intelligent instrumentierte Ashkenazy-Version von Mussorgskys "Bildern einer Ausstellung" (Decca) zeigte sie zwar mit schlankem Grundton, aber enorm klar und ausgewogen. Erst die Klavierfassung (auf derselben CD) und die zum Vergleich herangezogene sehr neutrale Thiel CS 2.4 offenbarten klangfarbliche Unsicherheiten der Tannoy. Obwohl im Hörtest keine Probleme in der tonalen Gesamtbalance auftauchten, kann sie nicht als völlig neutraler Lautsprecher gelten: Historische Aufnahmen tönten über sie noch historischer, mittenbetonte Tenöre wie Hans Hopf (Wagners "Tannhäuser", Konwitschny) neigten zuweilen zum Knödeln. Im Gegenzug machte die Thiel in puncto Abbildung kaum einen Stich: Eine perfekte Ortung erreichte sie nur im Nahfeld, projizierte das finale Sextett des "Figaro" von Mozart (2. Akt, Gardiner, Philips) dann allzu nah an die Hörernase, in vier Meter Abstand wurden ihre Akteure gar geisterhaft unscharf. Die Glenair dagegen platzierte und staffelte das Ensemble völlig selbstverständlich, trennte Bühne und Orchestergraben sauber - und zeichnete die Räumlichkeit des Opernhauses plausibel nach.

Auch ohne solche räumlichen Feinheiten ging's mit Rock und Jazz richtig zur Sache: "Die Glenair ist supergut am Gas!", so das Extra-Lob von Dynamik-Fan Bernhard Rietschel. Derart direkt und anspringend wie die Tannoy spielen sonst nur größere Hörner, die entweder Geldbeutel oder Tonalitäts-Empfinden deutlich strapazieren - im Extremfall beides. Ihr Bass in Fishs offiziellem Bootleg "Sushi" (Roadrunner) bot Punch, wenn auch nicht so sehr das letzte bisschen Präzision. Die Thiel kann hörbar zackiger und genauer größere Luftmassen bewegen, sie geht auch etwas tiefer.

Tannoy Glenair 10

Tannoy Glenair 10
Hersteller Tannoy
Preis 4500.00 €
Wertung 92.0 Punkte
Testverfahren 1.0

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