Testbericht
T+A Criterion TCD 110 S im Test
Die T+A Criterion TCD 110 S wurde konsequent auf höchste Klangqualität in schwieriger Umgebung gezüchtet. Kann die Standbox dem Anspruch gerecht werden?
Die HiFi-Welt könnte so einfach sein, wu?rden da nicht zwei Faktoren die Klangqualität stark beeinflussen, die der Hörer selbst nur schwer in den Griff bekommt: die Akustik des Hörraums und die Aufstellung der Lautsprecher. Viele HiFi-Fans sind sich des Problems kaum bewusst. Besonders beim Umzug in einen großen, spärlich möblierten Raum kann der Schreck aber gewaltig sein.
Auch die Hersteller hätten gerne Gewissheit, dass ihre Boxen beim Kunden so klingen, wie sie sollen. Doch selbst bei einer Lautsprecherabstimmung nach bestem Wissen und Gewissen im eigenen Firmentestraum ist ein audiophiles Erlebnis im Heim des Kunden nicht garantiert. Im genannten Fall des größeren Raums mit entsprechend weiten Hörabständen du?rfte ein diffuses Klangbild mit distanzierter Abbildung eher den Regelfall als die Ausnahme darstellen. Impulse klingen dann verschleppt, oder der Bass bleibt kraftlos.
T+A Criterion TCD 110 S: Box für große Räume
T+A aus dem westfälischen Herford hat deshalb das Pferd von hinten aufgezäumt und die neue Serie Criterion TCD konsequent fu?r moderne Umgebungen mit grosszu?gigen Räumen ausgeru?stet. Besonders das Spitzenmodell, die TCD 110 S, zielt auf diesen Einsatzbereich ab. Das Ku?rzel TCD signalisiert, welche technischen Kniffe hier zur Anwendung kamen: einerseits eine Transmissionline fu?r den untersten Bass, andererseits eine Mittelhochtoneinheit mit konstanter Richtwirkung
Letztere ist gerade in modern eingerichteten, u?ppigen Räumen von enormer Bedeutung. Denn bei 4, 5 oder gar 6 Metern Hörabstand und Nachhallzeiten jenseits von 0,5 Sekunden wird das Klangbild am Hörplatz immer vom indirekten Schall dominiert. Fu?r Boxenentwickler gilt also, den direkten Schall mit höherem Pegel beim Hörer ankommen zu lassen, den in den Raum abgestrahlten Schallanteil dagegen zu verringern.
T+A Criterion TCD 110 S: Aufbau
Hörner wären hier die klassische Lösung, doch T+A-Vordenker Siegfried Amft verlangte von seinem Entwickler Jochen Fabricius eine größere akustische Transparenz und Offenheit in den Höhen, als herkömmliche Hörner sie zu liefern imstande sind. Im Hochton fiel deshalb die Wahl auf einen Hornvorsatz ohne die typische Druckkammer, der direkt von der 25 Millimeter messenden Gewebekalotte bespielt wird. Dieses Duo erreicht eine konstante Richtwirkung, allerdings auf Kosten leichter Welligkeiten im Frequenzgang auf Achse, der hier aber zugunsten einer ku?rzeren und damit resonanzärmeren Bauweise hinten anstehen musste, und es erlaubt zudem mit 2200 Hertz eine relativ tiefe Trennfrequenz zu den Mitteltönern.
Kaufberatung: Top-Speaker um 2000 Euro
Im Tieftonbereich sind große Räume ebenfalls anspruchsvoll: Die Eigenresonanzen liegen meist in der untersten Hörregion von 20 bis 80 Hz, und einmal angeregt, schwingen sie außergewöhnlich lange nach. Zudem schwanken Basspegel und -qualität oft mit dem Pegel, weil die Resonanzen bei leisen Basstönen kaum angeregt werden, bei hohen Lautstärken aber zum Aufschaukeln und Dröhnen neigen.
Ein klassischer Bassreflex, der in diesem Bereich auch mit Resonanzen arbeitet, kann das Problem noch verschlimmern. Deshalb setzt T+A auf eine ungewöhnliche Lösung: die Transmissionline. Bei dieser wird, ähnlich wie beim Bassreflex-Konzept, der ru?ckwärtig vom Basschassis abgestrahlte Schall gezielt zur Verbesserung des Tiefbassverhaltens eingesetzt, allerdings nicht nach dem Prinzip des Helmholtz-Resonators, bestehend aus Feder und Masse, sondern durch einen langen Luftkanal, der direkt von den Chassis angeregt wird. Im Fall der TCD 110 S ist diese zweifach gefaltete und an neuralgischen Stellen deutlich bedämpfte Line etwa 4,8 Meter lang, kann also nach der Faustformel fu?r Transmissionlines bis 18 Hz hinab Bässe mobilisieren. Transmissionlines sind aufwendiger und generell etwas weniger effizient als Reflexsysteme, sie belohnen den Hörer dafu?r auch mit einem u?ber alle Pegel sehr stabilen und tendenziell impulsgenaueren Schwingverhalten.
Fehlende Antriebspower kann man der T+A-Line nicht nachsagen, denn zwei als reine Basschassis eingesetzte Zehnzoller treiben den Kanal an. Diese beiden Kraftpakete sind technologisch direkte Verwandte der Solitaire-Tieftöner, doch bei der Criterion natu?rlich an die Transmissionline angepasst. Weil sie nur bis 200 Hz arbeiten mu?ssen, sind auch Mittelton-Klangfärbungen durch die Line kein Thema.
T+A Criterion TCD 110 S: Hörtest
Von einem derart satt bestu?ckten Lautsprecher erwartet man natu?rlich einen kräftigen Bass. Den lieferte die TCD 110 auch - und untermalte Stanley Clarkes "Justice's Grooves" mit einem mächtigen Fundament, das bei aller Kraft erfreulich dröhnfrei blieb und auch in Marla Glens "Cost Of Freedom" locker-federnd dem rhythmischen Swing folgte. Allenfalls Aktivboxen oder geschlossene Exemplare wussten einen noch trockeneren, härteren Tiefbass zu produzieren, dies allerdings auch nicht mit der Lockerheit der T+A.
Dazu offerierte die TCD einen betont seidigen, exzellent durchhörbaren Stimmbereich bar jeder Lästigkeit. Blechbläser bildete sie betont transparent mit der gebotenen Nähe und dynamisch-direktem Druck ab, gezupfte Gitarren (in Albeniz' "Serenata") stellte sie realistisch dezent in den Raum.
Praxis: Lautsprecher richtig aufstellen
Das verlangte freilich eine Optimierung der Aufstellung: Bei Hörabständen unter 3,5 Meter (in halligen Räumen etwas weniger) klang es allzu trocken und verlieh selbst räumlichen Aufnahmen eine gewisse Studio-Aura; nahe zur Wand hinter den Boxen drängte sich der Bass zudem etwas ungebu?hrlich in den musikalischen Vordergrund. Auch sollte die Criterion TCD nicht genau auf den Hörer eingewinkelt werden, denn dann reagierte sie mit leicht aufdringlicher Tonalität und einem Verlust an Transparenz.
Doch wenn die 110er mit ausreichend Abstand betrieben wurde und etwa 15 Grad am Hörer vorbei spielte, waren ihre Tonalität wie auch die Abbildung eine Offenbarung: Den ätherischen Sound der Triband ("Live At Schloss Elmau") setzte sie mit weitem Panorama, einer glockenklar definierten Gesangsstimme und notwendigem Live-Druck in Szene. Die Stimme hauchte sie förmlich in den Raum. Am beeindruckendsten war freilich ihr riesiges, genau gezeichnetes Panorama in großorchestralen Werken: Saints-Saens' Orgelsinfonie unter Yannick Nezet- Seguin tönte weiter und seidiger als je zuvor.
Waveguide und Constant Directivity
Als Waveguide bezeichnet man in der Lautsprechertechnik eine hornähnliche Konstruktion um den Hochtöner. Im Gegensatz zum klassischen Horn fehlt jedoch eine Druckkammer, der Hochtöner (u?blicherweise eine Kalotte) wird direkt an die Luft angekoppelt, die Formgebung baut meist nicht so tief.
Ziel ist, im unteren Einsatzbereich der Kalotte, etwa von 2,2 bis 7 kHz im Fall der T+A, den Abstrahlwinkel zu verengen und an die benachbarten Frequenzbereiche anzupassen, wo die Eigenbu?ndelung von Mitteltöner (bis 2,2 kHz) und Kalotte (ab etwa 7 kHz) dominiert. Damit wird auf den Hörplatz mehr direkter und in den Raum weniger indirekter Schall abgestrahlt, das Klangbild gerät präsenter und bewahrt auch bei großen Abständen Präzision und Transparenz. Der indirekte Schall verfärbt zudem weniger, weil die Bu?ndelung im Mittelhochton verstetigt wird. Als positiver Effekt steigt der Kennschalldruck des Hochtöners, der Klirr wird geringer.
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