Plattenspieler

Scheu Cello + Cantus + MC S im Test

24.6.2013 von Andreas Günther

Lecker, leicht, launig: Sieht leicht aus, verlangt aber eine äußerst komplexe Feinjustage. Der Arm Cantus ist ein Kunstwerk mit Ein-Punkt-Lager. Ein herrlicher Kontrast: Filigranste Technik trifft auf ein erstaunlich stabiles Klangbild.

ca. 4:10 Min
Testbericht
VG Wort Pixel
Scheu Cello + Cantus + Scheu MC S
Scheu Cello + Cantus + Scheu MC S
© Hersteller/Archiv

Pro

  • faszinierende Klangausbeute
  • sehr stabil im Bass und bei der räumlichen Analyse
  • bei gutem Vinyl sehr direkt mit Punch aus der Boxenebene

Contra


Bedienungsanleitungen machen selten Freude, und hilfreich sind sie auch nur zum Teil. Diese sollte man aber unbedingt lesen. Zuerst einmal, um sich zu motivieren, denn ein Satz am Anfang beruhigt ungemein: "Da dieses Laufwerk in vormontiertem Zustand ausgeliefert wird, sind bis zum Abspielen einer LP nur wenige Handgriffe nötig."

Das Gleiche sagt der Berliner Hersteller Scheu auch u?ber seinen Tonarm Cantus. Im Doppel von Laufwerk und Arm aber multiplizieren sich die Herausforderungen.

Langer Rede kurzer Sinn: Man sollte rund eine Stunde fu?r die Erstinstallation reservieren. Am besten eignet sich ein sonniger Vormittag, an dem man hoch konzentriert ist und mit ruhigen Händen zu Werke gehen kann.

Von der Rolle
Scheu legt dem Laufwerk eine Rolle mit Nylonfaden bei, über beständiges Knoten wird die ideale Länge erknüpft.
© Hersteller / Archiv

Eine Feinjustage "vom Feinsten"

Zuerst bringt man das Laufwerk auf Touren. Auspacken, aufstellen, in Waage justieren. Die Keramikkugel wird auf die Achse bugsiert und das Ganze mit etwas öl benetzt - es liegt in einer Spritze mitsamt gefährlich spitzer Nadel bei. Ein weiteres unerwartetes Element im Lieferumfang: eine Rolle mit Nylonfaden, etwas dicker als ein Frauenhaar, transparent und fu?r Männerhände vielleicht die größte Herausforderung. Aus einem etwas mehr als einem Meter langen Stu?ck muss der Antriebsriemen geknotet werden. Über ständiges Verku?rzen nähert man sich schließlich dem idealen Maß, auf dass genug Spannung zwischen dem Plexiglasteller und dem im linken, vorderen Bein integrierten Motor- Pulley entsteht. Dreht sich der Teller, muss man noch die ebenfalls mitgelieferte Stroboskopscheibe auflegen und die Umdrehungsgeschwindigkeit nachjustieren - u?ber einen Schraubregler im linken Bein.

Plattenspieler justieren - So geht's

Mit diese detailreichen Feinjustage bis hierher kann Scheu sein Versprechen, es seien "nur wenige Handgriffe nötig" nicht halten. Vor allem, da die eigentliche Ku?r erst jetzt beginnt: Der Tonarm muss im Armboard spielbereitet werden. Einfu?hren, dann leicht mit der Gegenmutter ankoppeln und am besten mit einem Messschieber (liegt nicht bei, ein Zollstock muss helfen) den exakten Abstand der Tonarmachse zur Plattentellerachse herausfinden - 212 Millimeter sollen es sein. Dann montiert man den Tonabnehmer und bestimmt die Tonarmhöhe.

Danach wird es wirklich tricky: Denn der Cantus liegt nur auf einem Punkt, einer Dornspitze. Das Gegengewicht lässt sich deshalb nicht nur in der Vor-/Ru?ck-, sondern zugleich in der Seitenachse bewegen. Um abzuku?rzen: Wer zwei linke Hände hat, sollte lieber den Händler zum Erstaufbau u?berreden. Er hat die Erfahrung und auch einiges mehr an Justage-Werkzeugen.

Sollte der Eindruck entstanden sein, dass uns die Cello/ Cantus-Kombi einiges abgefordert hat - dieser Eindruck trifft zu. Aber weit weniger in dem Maße, wie uns die Cello/Cantus-Kombi anschließend alle Mu?hen doppelt, ja dreifach zuru?ckgezahlt hat.

Wie der Flügel eines historischen Flugzeugs
Wie der Flügel eines historischen Flugzeugs: Der Tonarm folgt einer Fachwerk-Architektur - mit den Signalkabeln in einer Mikro-Röhre.
© Hersteller / Archiv

Hörtest

Als sich in unserem Test dann tatsächlich die Nadel in die Rille senkte, staunten wir u?ber einen faszinierenden Widerspruch: Wir erlebten ein äußert leichtes, höchst elegant wirkendes Laufwerk, dessen Arm auf nur einer winzigen Spitze ruht, dessen Plattenteller von einem hauchdu?nnen Faden angetrieben wird - komplett konträr dazu gelangte an die Lautsprecher ein kantiges, großes, bassstabiles Klangbild wie aus einem Tresorraum. Der eigenwillige äußere Auftritt ist keine Design-Spielerei, sondern entstammt ehrlichster Entwicklerarbeit.

Hatten wir daran gezweifelt? Nicht wirklich: Denn mit jedem noch so aufwendigen Schritt nähert man sich auch den Grundprinzipien des Entwurfs an. Vielleicht ist es gerade die Katharsis beim Aufbau, die zusammenschweißt: Der Besitzer wird zum Nachkonstrukteur.

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Was hat uns am stärksten fasziniert? Natu?rlich dieser eigenwillige Tonarm, der die Bauart neu definiert. Leicht und dennoch stabil sollen Tonarme sein - Scheu greift dafu?r auf das Wissen historischer Architekten zuru?ck und interpretiert die Fachwerk-Bauweise neu. Die Signalkabel werden in einer winzigen Hu?lse gefu?hrt. Als erste Assoziation fällt einem der Tragflu?gel eines fru?hen Flugzeugentwurfs ein.

Doch nicht alle Systeme harmonieren mit diesem Kunstwerk. Unser Referenzsystem, das Delos von Lyra ("absolute Spitzenklasse" laut stereoplay 08/10, Preis: um 1.100 Euro) liebt den hellen, offenen, packenden Ton - kein Schmeichler, aber auch kein Überanalytiker. An der Scheu-Kombination wirkte es ein paar Gradzahlen zu frisch, im Mitteltonbereich verschlankt.

Obwohl es rund ein Drittel gu?nstiger (um 600 Euro) ist, zeigte sich das Benz ACE L als die bessere Wahl. Scheu legt das identische Modell mit hauseigenem Branding auf - und weiß warum: Äußerlich passt die Plexiglas-Architektur von Arm und Laufwerk perfekt zum roten Benz-Mantel, klanglich gefällt der druckvolle Schub. Es wird auch daran liegen, dass das Benz-System recht robust in der Justage und freigiebig im Umgang mit Azimut-Feinheiten ist. In unserem Test war das eine sehr körperbetonte Gesamtkombination: straff und mit Punch in den Solar Plexus. Auf einer Wellenlänge mit der fru?hen Klangästhetik der Decca-Tontechniker: nah an den Instrumenten, auf britische Weise körperbetont und sehr definiert im Nachhall.

So gibt es kein schöneres Erleben von Schuberts Forellen-Quintett als eben in der Decca-Einspielung von Clifford Curzon und den Mitgliedern des Wiener Oktetts (Reissue u?ber Speakers Corner). Diese Wuchtigkeit im Klavieranschlag und dennoch die Leichtigkeit, ja die pure Freude an kammermusikalischer Dynamik - stärker kann Vinyl nicht faszinieren. Man staunt, dass dieser Klang 1957 eingefangen wurde und dass dieser Klang 56 Jahre später von einer so filigranen Laufwerk/ Tonarm-Kombi greifbar vor die Boxenachse gesetzt wird.

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