Röhren-Vollverstärker

Line Magnetic LM-219 IA im Test

28.1.2013 von Johannes Maier

Für den LM-219 IA hat Line Magnetic Jahrzehnte alte Röhrentechnik wiederbelebt und modernisiert. Wie klingt der Vollverstärker im Test?

ca. 7:55 Min
Testbericht
VG Wort Pixel
Line Magnetic LM-219 IA 10
Line Magnetic LM-219 IA 10
© J. Bauer, MPS, Archiv

Pro

  • herrlich angenehmer "Mit lockerer Hand"-Klang
  • bietet trotz Stressfreiheit in den Höhen viel Substanz und Feinauflösung

Contra

  • gibt sich Tiefbasstiraden nicht gerade gern hin

Fazit

Im LM-219 IA von Line Magnetic manifestiert sich viel Fleiß und Enthusiasmus.


Es ist eher unwahrscheinlich, dass Otto Normalverbraucher den LM-219 IA von Line Magnetic zu Gesicht bekommt. Wenn doch, wird er sich über das altertümliche Aussehen des Hammerschlag-Ungetüms mit den seltsam geformten Röhren obendrauf wundern. Ja, solche Verstärker kamen kurz nach dem Trichtergrammofon, wird der kenntnisreiche Besitzer anmerken und hinzufügen, um den allzu neugierigen Betrachter wieder loszuwerden: Mit HiFi hat all dies relativ wenig zu tun!

In der Tat hatten die Installateure, die vor Jahrzehnten amerikanische Kinos mit Eckhörnern von Western Electric und eben mit solchen Verstärkern bestückten, den Begriff High Fidelity nie gehört. Doch für sie stand außer Frage, dass Dreipolröhren des Typs 300 B für den probaten Klang sorgen müssen. Diese Trioden wurden wiederum von Pentoden des Typs 310 A angesteuert, weil sich nur so - aufgrund ideal korrespondierender Arbeitskennlinien - ein wirklich natürlicher Klang ergab. Dies war alles andere als Zufall: Die Entwickler von Western Electric hatten im Röhrenwerk in Kansas zuvor unzählige Chargen durchprobiert. Erst nach Tausenden von Hörteststunden fanden sie ideal aufgebaute Vertreter eines Typs und dann die günstige Paarung heraus.

Line Magnetic LM-219 IA: Aufbau

Damit kommen wir dem entsprechend bestückten LM-219 IA langsam näher. Doch zuvor verdient der heldenhafte Einsatz der Brüder Zheng Erwähnung. Denn im Gegensatz zur 300 B gab's die kleinere, aber kompliziert gestrickte 310 A mit ihrem nach oben herausgeführten Steuergitter-Anschluss schon vor Jahr und Tag praktisch nicht mehr zu kaufen. Das bewog die Line-Magnetic-Begründer, mit viel Geduld und Spucke und der Mithilfe von Kumpels des Shuguang-Konzerns, eine Neuproduktion der 310 A aufzuziehen. Nun musste der befreundete Mr. Liu, der nach vollendeter Arbeit in den USA in seiner Heimatprovinz Tianjiin Röhren-Replika herstellt, nur noch seine Full Music 300 B beisteuern, um einer sehr Western-ähnlichen (und im Original nicht mehr bezahlbaren) Röhrenbestückung nahe zu kommen.

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Weil der LM-219 darüber hinaus dem vielfach erhöhten Strombedarf moderner Boxen gerecht werden sollte, bringt er zusätzliche Leistungstrioden des Typs 845 mit. Und zwar feine des Shuguang-Abzweigs Pavane. Nur bei den Doppeltrioden, die im (Motor-)Poti-geregelten Eingangszweig aushelfen, ließ sich LM auf Massenware des weltgrößten Röhrenherstellers ein. Egal, der Kenner meidet die matthart vergoldeten, zum Alps-Regler führenden Cinch-Buchsen sowieso. Er wendet sich vielmehr den Festpegeleingängen zu, die direkt zu den 310 A weisen. An diesen schließt er die mit verlustarmer Trafo-Regelung arbeitende passive LM-Vorstufe VO 2 an (3.240 Euro, den wahrscheinlichen klanglichen Vorteil wird ein Test in Kürze klären).

Bildergalerie

Line Magnetic LM-219 IA 10

Bilder: Line Magnetic LM-219 IA

Der "Pre" genannte Eingang führt direkt zu den Pentoden 310 A, also direkt auf die Eingänge der dreistufigen Ausgangsverstärker.

Das gewaltige Stahlgehäuse betrachtet der Line-Magnetic-Liebhaber sicher als adäquate Basis für das renommierte Röhrenensemble. Freie Handverdrahtung um die Signalwege herum, makellos blitzende Lötperlen und beste Bauteile aus aller Welt dürfte er fast als Selbstverständlichkeit empfinden.

Hochachtung verdient der LM-219 IA in jedem Fall dafür, dass er die 845-Endröhren, die im Single-Ended-Class-A-Betrieb laufen, über einen eigenständigen zweiten Riesen-Netztrafo ernährt. Nicht weniger imposant die Ausgangsübertrager: Ihre Eisenkerne brauchen nicht nur viel Masse und eine raffiniert verschachtelte Bewicklung. Sie benötigen auch einen Feldlinien unterbrechenden Luftspalt, damit der Dauer-Energieumsatz, der die Musikleistung per se übersteigt, sie nicht in die magnetische Sättigung treibt.

Donnerwetter, dann finden sich noch mal zwei kleinere Übertrager. Über diese treibt je eine 300 B ihre 845 auf so impedanzgerechte wie verlustfreie Weise an. Hut ab - auch wenn der Chronist ahnt: Hätte ein Western-Mitarbeiter die heute allseits praktizierte Widerstand-Kondensator-Kopplung vorgeschlagen, hätte er am nächsten Tag seine Papiere abholen können.

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So weit, so gut, doch dann kann der LM-219 IA selbst den Verstärker-Kenner zur Verzweiflung treiben. Wo, sapperlot, haben die Zhengs das große Leistungs-Meter her, das nicht nur einen, sondern - jeweils für den rechten und linken Kanal - zwei Zeigernadeln unabhängig voneinander hin- und herwiegen lassen kann. Das Kunststück, zwei Drehspul- Aggregate mit spitzen Fingern auf eine koaxiale Doppelachs-Feinstmechanik zu fädeln, haben fleißige Mädchen von LM vollbracht.

Line Magnetic LM-219 IA: Einstellungen

Dann gibt es noch zwei weitere kleinere, mit V1/V3 und V2/V4 titulierte Instrumente, die - auch nach dem Studium des in diesem Punkt kryptischen Manuals - knifflige Rätsel aufgeben. Zusätzlich verwirrt, dass sie von zehngängigen Präzisions-Wendelpotentiometern (mit V1/V2 und V3/V4 bezeichnet!) begleitet werden. Eine Lösung kommt erst beim Brüten über dem Schaltplan in Sicht. Also: Die individuelle Ruhestrom-Einstellung geschieht via direkt bei den zwei 300 B und den zwei 845 angeordnete Schraubtrimmer - unter Beachtung der Instrumente, die sich bei Bedarf über Extra-Regler nacheichen lassen und die - schaltbar - mal für die Leistungsröhren des einen, mal für jene des anderen Kanals zuständig sind. Die Regler unmittelbar neben den Instrumenten stellen dagegen quasi global die Höhe der negativen Vorspannung ein: einmal für die 300 B (-90 Volt oder mehr) und einmal das Bias-Potential für die Endröhren (-140 Volt oder mehr).

Noch mehr Gehirnschmerz? Bitte: Bei den vier direkt beheizten Leistungsröhren (statt eines Extra-Kathoden-Röhrchens emittiert der Glühfaden selber) finden sich sogenannte Entbrummer-Potis, die eine störunterdrückende exakte Einstellung der Heizspannungs- Symmetrie gestatten. Da der LM-219 IA alle Röhren ohnehin mit sauberer Gleichspannung heizt, dürfen wir diese Regler in Ruhe lassen. Einmal vom Fachhändler eingestellt, gilt das auch für die Bias-Trimmer. Und so löst sich der Schmerz in schieres Wohlbefinden auf: weil der LM-Genießer an den "Global"-Biasreglern je nach Tagesform und Lust und Laune ein bisschen mehr oder weniger Ruhestrom einstellen kann. De facto kann er damit ein klein wenig an dem nach AUDIO-Messgesichtspunkten ohnehin schon höchst harmonischen Klirrverlauf drehen, so dass die eine oder andere Platte einen Tick besser klingt.

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Muss der Besitzer für seine Boxen einmal herausfinden, ob sie besser mit den 4-, 8- oder den 16-Ohm-Ausgängen des LM harmonieren, gibt es eine weitere Tuning-Option. Ein kleiner Schalter auf der Front erlaubt es, die zu der Pentode 310 A zurückführende (ohnehin nur ganz sanft wirkende) Korrektur-Gegenkopplung entweder hinten am Ausgang oder aber schon nach der 300 B am Zwischenübertrager abzugreifen.

Line Magnetic LM-219 IA: Hörtest

In der Tat: Bei der einen CD klang's so besser, bei der anderen so, aber ehrlich gesagt waren derlei Fitzeleien den Testern zunächst völlig egal. Denn der LM-219 IA war für sie - jungfräulich ausgepackt und noch nicht groß betastet - schlicht und ergreifend hinreißend. In den Höhen schuf der Line Magnetic nicht nur dünne Luft. Ihm gelang es, Sturmwinde zu entfachen - mal kühlere, mal wärmere, immer aber substanzielle. Er erzeugte einen Auftrieb, der schillernde Töne nicht zum Absturz, sondern zum stolzen Flug in die Ferne verführte.

Dabei ging es dem Verstärker gar nicht so sehr um Spektakuläres, sondern vor allem um Ehrlichkeit. Wer kennt dieses flaue Gefühl in der Magengrube, wenn ein Straßengeiger aufspielt? Diese völlig unschuldige, biobrav trommelfellstreichelnde Weichheit des Anstrichs, die schon lästerliche Unversehrtheit der Korpus-Resonanz? Der Klangeindruck bewegt den ehrgeizigen High Ender, bald missmutig weiterzutraben. Denn das bekommt er meist mit noch so viel Wiedergabe-Aufwand nicht hin.

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Der Line Magnetic weckte neue Hoffnung: Dank diesem Verstärker tönte eine solche Geige - etwa zusammen mit den Arbeitsmonitoren Sonics Allegra - auch im Hörraum fast wieder freifeldartig lebensecht. Mit seinem dezidierten Wahrheitssinn kümmerte sich der LM nicht nur um Details. Er deckte ohne großes Trara genauso gern komplexe Zusammenhänge auf.

In Vienna Tengs "St. Stephen's Cross" ("Inland Territory", Decca) genießt der Hörer schon über Standard-Elektronik die junge Stimme, den putzig-rosigen Mädchenchor in vollen Zügen - und die dazu absichtlich eingemischten Platten-Knackser als netten Gag.

Bessere Anlagen offenbarten dann schon den Herzschmerz ob der lyrisch geschilderten Trennung eines Paares. Über die Class-A-Röhre erschien der Girlie-Sound allerdings fast schon abgehoben paradiesisch, das böse Kratzen und Zerren dafür viel bedrohlicher, abgründiger. Bei den plötzlich ernsthafter nuancierten und so viel eindringlicher wahrgenommenen Worten "... lost in the shadow of St. Stephen's cross, and he closed his eyes and he heard no sound" überkam den Hörer nun wirklich ein Frösteln. Jetzt schaute er zusammen mit Vienna Teng auf das Koordinatensystem des Lebens - und selbst im Ledersessel nahm er unwillkürlich Haltung vor der Künstlerin an.

So, und jetzt sollten die Tester aufstehen, "sehr gut" rufen und Punkte vergeben? Nein, vorher legten sie noch das geliebte "The Falcon Will Fly Again" von Klavier-Tausendsassa Brad Mehldau auf. Einfach toll, wie befreit-triumphierend die Piano-Fingersätze sich in die Höhe schraubten und - zu den herrlich markanten Akkorden der linken Hand - wieder gen Erde stürzten. Dabei zeigte der Line Magnetic mit Bravour, dass solch ein Klang-Fabeltier neben Schnabel und Krallen kuschelige, gezackt gemusterte Federchen besitzt.

Bei Platten mit sehr viel Tiefbass schien der plötzlich störrische LM-219 IA aber zu sagen: "Was soll denn das?" Da machte sich eine gewisse Erleichterung breit - weil es auch für diesen Amp Grenzen gibt.

Fazit

Im LM-219 IA von Line Magnetic manifestiert sich viel Fleiß und Enthusiasmus. Großen Respekt verdienen die Konstrukteure vor allem, weil sie keinen Egotrip unternahmen, sondern einfach realisierten, was ihren Ohren nützlich und klangvoll erschien.

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