Testbericht
Revox Joy und Revox Re:sound G shelf im Test
Klein, fein und leicht zu unterschätzen: Revox packt mit "Joy" eine Ideal-Kombi in nur ein Gehäuse: Netzwerk-Player trifft Kraftendstufe. Wir haben die Revox Joy zusammen mit den Boxen Revox Re:sound G shelf getestet.
Können wir uns darauf einigen? Der erste, der "Schuhschachtel" sagt, zahlt fünf Euro in die Chauvi-Kasse. Klar, die Schweizer von Revox haben ihr neues Produkt "Joy" genannt. Das schreit geradezu nach Missverständnis, Unterschätzung, Herablassung. Joy klingt nach Frauen-Fitnessstudio und rosa Hanteln. Dabei ist das Produkt eher in der Gegenwelt zu Hause: potent, stark, smart und weit davon entfernt, ein Spielzeug zu sein. Hier kommt zusammen, was bald den Musikkonsum in vielen Heimen bestimmt: ein Wandler plus Endstufen. Das Display wird dahin versetzt, wo es am meisten Sinn macht - in die Hand des Nutzers. Der Blick unter die Joy-Haube überrascht angenehm.
Revox Joy: Aufbau
Hier wird fast jeder Kubikmillimeter mit Inhalt gefüllt, keine Luft fürs Geld, alles in aufwendiger SMD-Bestückung und mit einem großen 300VA-Ringkerntrafo gleich hinter der Frontplatte. Ausgelagert arbeitet noch ein kleiner Trafobruder, darauf abgestellt, die Elektronik im Standby-Modus zu halten, bei vorbildlich geringen 0,5 Watt. Er könnte auch Apple-Produkte mit USB-Strom bis 1 Ampere versorgen.
Revox verbaut hier das gleiche Endstufenkonzept wie in den großen Modellen M100 (zum Test). Dies aber ist kein Digitalverstärker, es werden keine Bits und Bytes verarbeitet; Pegel beherrscht der Joy komplett analog - im Fachdeutsch nutzt Revox eine Schaltung nach "Pulsweitenmodulation". Sie wurde, wie die komplette Joy-Box, in Deutschland hergestellt und erdacht - von dem in High-End-Kreisen höchst geschätzten Jürgen Lindemann.
Kaufberatung: Kompaktboxen im Test
Das vielleicht wichtigste Detail: eine aufwendige Regelschleife, die das Impedanzverhalten von jedem noch so kritischen Lautsprecher kompensieren soll. 4 Ohm, 8 Ohm? Spielt keine Rolle. Auch echte Kraftsauger sind willkommen. Bereits in der kleinen Joy-Version S119 stellt Revox 2 x 60 Watt zur Verfügung. In der großen S120-Variante sind es doppelte 120 Watt.
In den Hörraum hatten wir die mächtigste Ausbaustufe gebeten, die das Bankkonto um 2200 Euro erleichtern müsste. Eine weitere Summe wird fällig: 350 Euro will Revox für die Fernbedienung. Im Verbund mit dem Joy sinkt deren Preis auf 280 Euro.
Revox Joy: Bedienung
Auf den ersten Blick nicht recht verständlich. Denn ohne die Fernbedienung geht gar nichts - sie ist die einzige Kontrollinstanz für ausgehende Befehle und zudem Anzeige-Display für Tracks, Cover und Datenraten. Die Funkbasis offenbarte sich in der Praxis als entscheidender Vorteil: Der Nutzer kann frei auf das Display schauen und muss nicht zeitgleich penibel zur Joy-Box zielen - alle Befehle und Rückinformationen kamen im Test souverän an. Revox gestattet auch die Programmierung von Infrarotsignalen - für Fremdkomponenten oder ältere Heiligtümer der hierin nicht armen Firmengeschichte.
Als weitere Steuerungsalternative kommt eine App für das iPhone. Eine Übersetzung für Android-Geräte naht im Herbst. Beides kostenlos. So sehr es nach Klischee klingt: Wann immer wir nach Hause kommen - Joy und unsere Musiksammlung warten auf uns. Knopfdruck auf das iPhone - und die Endstufen werden auf Betriebstemperatur gehievt. Zeitgleich darf man überlegen, welche Musikrichtung wohl genehm wäre - mit dem Daumen über das Display, durch die Sammlung fahren und die Files an den Wandler senden. Wer das gespeicherte Bekannte gerade nicht mag: Joy listet auf Fingertipp circa 20.000 Internet-Radiostationen auf.
Kaufberatung: Vollverstärker im Test
Es ist Freude und Schrecken jedes Fachjournalisten: All diese Produktversprechen hält Joy ein. Ein Manko aber gibt's: Apple-Lossless-Daten wollte der Wandler im Test nicht anerkennen. Wir haben nachgefragt: Noch in diesem Jahr soll ein Software-Update folgen - die Lizenzverhandlungen mit Apple würden sich, so Revox, recht "zeitintensiv" (Subtext: zäh) gestalten. Mit dem Update will Revox dann auch gleich die Anhänger der FLAC-192-kHz-Datensätze befriedigen, aktuell endet die Hochauflösung des Joy bei 24 Bit und 96 Kilohertz.
Revox Joy: Hörtest
Die Gretchenfrage lautet also eher: Was kann das gute Stück nicht? Überraschend wenig. Wir haben quergetestet: Wie gut ist die Wandler-Ebene, wie gut sind die Endstufen? Die Wandler gaben sich untadelig, stabil, neutral. Mit den Endstufen haben wir uns sogar bis zu einer zickigen, mannshohen Standbox mit kritischem Wirkungsgrad hochgearbeitet - Joy nahm die Herausforderung wie ein deutlich schwererer Bolide, stabil bis in die Grenzregionen des Tiefbasses, dabei eben nicht das Überhelle im Grundcharakter des Lautsprechers multiplizierend. Insgesamt eine eher samtige Abstimmung.
Karajan liebte in seinen späten Jahren die nicht wirklich sauberen audiophilen Effekte. In seiner späten Tosca-Einspielung (DG) tricksen die Tontechniker mit Panorama-Irritationen, dynamischen Regelverstößen und Phasenspielereien. Die Joy brachte abgehobene Sänger wieder auf eine realistische Klangbühne, verfiel nie dem Trend zum Sezieren. In Kombination mit Revox' kompakten G-shelf-Boxen stellte sich ein für das Gesamtvolumen der Kombi erstaunlich dynamisches, weites, dennoch "richtiges" Klangbild ein. Braucht man wirklich mehr? Vielleicht noch als passenden Hörraum ein schönes Penthouse in Rom, mit Blick auf die Engelsburg (Tosca, dritter Akt)? Das würde perfekt harmonieren, Revox sollte einen Paketpreis in Betracht ziehen.
Lautsprecher-Anpassung
Revox spielt einen Trumpf aus. In Fleißarbeit wurden die Feindaten aller Lautsprecher der Marke vermessen, die Joy-Software kann auf diese Details zugreifen und per DSP einen idealen Mix aus Kraft, Timing und Frequenzanteilen an die Membranen leiten. Also: auf Schwächen achten, Stärken ausspielen. Spielen fremde Boxen mit, bleibt alles auf neutraler Achse. Zudem kann jeder Boxen-Besitzer dem System mitteilen, ob die Lautsprecher freistehend, nahe der Wand, vielleicht sogar in einer Ecke ihre Arbeit verrichten. In allen Fällen fiel uns beim Test auf: Der simple Loudness-Effekt war Revox fremd, hier wird nicht getrickst, sondern sinnvoll integriert. In unserem Testaufbau gewann die kompakte Re:sound G shelf klar an räumlicher Präzision, mitunter verschwanden Härten im Hochtonspektrum. Mehrwert statt Show.
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