Plattenspieler

Pro-Ject RPM 9 Carbon im Test

29.7.2015 von Roland Kraft

Viel Masse, die sich nicht rührt: immer noch ein Erfolgsgeheimnis bei Plattenspielern. Und wer gedacht hat, Pro-Ject vertrete eher die gegenteilige Meinung, der hat sich geirrt. Wir haben den neuen Plattenspieler Pro-Ject RPM 9 Carbon im Test.

ca. 4:15 Min
Testbericht
Pro-Ject RPM 9 Carbon
Pro-Ject RPM 9 Carbon
© Pro-Ject

Pro-Ject RPM 9 Carbon


Leicht und fast unzerstörbar. Damit ist Carbon schon charakterisiert, wenn man den neuen Pro-Ject RPM 9 Carbon nicht kennt. Als Nachfolger des RPm 9.2 Evolution addiert er zu dem Leichtbaustoff noch mehr schiere Masse. Und so entsteht eine hohe Massekonzentration auf kleinstem Raum. Schon das Chassis ist lediglich so groß wie ein Plattenteller, rund und bietet nur einen herausragenden "Balkon" - die Montagefläche für den Tonarm.

Doch der drei Finger starke Unterbau des Pro-Ject RPM 9 Carbon hat es in sich, ist er doch allein schon ein richtig schweres Trumm, dessen glänzende Carbon-Oberfläche über das Gewicht hinwegtäuscht. Aber nur so lange, wie man den mit drei Füßen versehenen "Rundling" nicht auf einen Tisch wuchten muss.

Das Geheimnis hinter dem schwergewichtigen Auftritt steckt tief im Inneren des soliden Blocks, der wie eine Art von Hamburger funktioniert: leichter Teig mit leckerer, schwerer Füllung. Doch an diesem Fresspaketchen würde sich der Analog-Feinschmecker die Zähne ausbeißen, vereint es doch Härte, höchste Steifigkeit und sprichwörtlich beruhigendes Gewicht, womit das zentral angeordnete, invertierte Lager vor allem eines ist: unverrückbar in Metallgranulat "einbetoniert".

Plattenspieler Pro-ject von oben
Der Aufbau des Pro-Ject-Komplettpakets gelingt sicher auch weniger erfahrenen Vinylfans, die sich vielleicht bei der Tonabnehmer-Justage Hilfe holen sollten. Der Abstand des Motors zum Plattenteller ist mithilfe einer Plastikschablone vorgegeben.
© Audio Trade

Und das ist auch nötig, denn nun sorgt - für Pro-Ject-Kenner fast ein wenig ungewohnt - ein extrem wuchtiger Aluminium-Plattenteller mit einer dämpfenden Gummieinlage gleich für weitere Massenkonzentration. Der Pro-Ject RPM 9 Carbon ist so schwer, dass es schon kein Vergnügen mehr ist, den fetten Alu-Rundling aus der Kiste zu heben.

Doch bei solchen Aktionen geht dem Vinylfan natürlich das Herz auf, gleich wird die Klopfprobe gemacht, deren Ergebnis höchst befriedigend ausfällt: Dieser Plattenteller tut exakt das, was er tun soll, nämlich sich mausetot stellen. Und damit gilt es auch, den wuchtigen Teller zart und extrem vorsichtig auf die Lagerachse zu stülpen, deren oberes Ende eine gefettete Keramikkugel ziert. Die ist nämlich höchst empfindlich, trägt zwar klaglos ihre Last, will aber keine Schläge von ihrem Gegenpart, der Lagerbuchse im Teller, abbekommen.

Aber ein Plattenspieler soll nicht nur eine unerschütterliche Basis für den Abtastvorgang bilden, sondern auch "im Wasser" stehen, und zwar präzise. Darum kümmern sich im Pro-Ject große Füße, die in riesigen Gewinden am Chassis festgeschraubt werden. Endlich, muss man hier formulieren, hat jemand klar erkannt, dass die so häufig anzutreffenden, schlanken Plattenspieler-Füßchen, noch dazu mit Gewinden, die selten über fünf oder sechs Millimeter Durchmesser hinausreichen, vor allem eines sind: wackelig, falls man die kleinen Befestigungsschrauben nicht sehr fest anzieht.

Wie ein Kamera-Objektiv

Solche Vorwürfe lassen den Pro-Ject RPM 9 Carbon kalt, denn seine weich laufende Höhenverstellungen an den drei Riesenfüßen dreht sich so satt wie ein teures Kameraobjektiv. Und nun schleicht sich ein höchst zufriedenes Grinsen ins Gesicht des Monteurs, dessen Aufmerksamkeit zunächst der mitgelieferten Dosenlibelle gilt. Und schon steht das schwere Ensemble präzise in der Horizontalen und wartet auf seinen Spielpartner, den Tonarm mit Carbonrohr, integrierter Headshell und Präzisions-Kugellagern.

Die integrierte Headshell ist klanglich wohl ein Vorteil, stellt einen integrierten Bestandteil des Armrohres dar, womit es weder Kontakt- noch Halterungsprobleme gibt. Die Kehrseite der Medaille ist eine erschwerte Montage des Abtasters, was man nun am besten bei ausgebautem, "auf dem Rücken" liegendem Tonarm erledigt. Und so stresst man auch nicht die empfindsamen Kugellager. Danach sind Vorsicht und ein Nadelschutz geboten, bis der Arm fest auf der Basis sitzt.

Pro-Ject Tonarm
Der kugelgelagerte Tonarm ist ein alter Bekannter aus dem Pro-Ject-Baukasten-System, an dem es praktisch nichts zu kritisieren gibt. Um das Antiskating-System richtig zu justieren, sollte allerdings eine Testplatte bemüht werden.
© Audio Trade

Pro-Jects Carbon-Tonarm ist Höhen- und querverstellbar. Das heißt: Er ermöglicht VTA- und Azimut-Justage. Wer sich mit Letzterem nicht abplagen möchte und darauf besteht, dass die Tonabnehmer-Hersteller ihre Nadeln gerade auf die Nadelträger kleben und exakt schleifen, der stellt das Armrohr von vorne betrachtet genau horizontal, ignoriert die Problematik und wählt eines von drei Gegengewichten passend zum verwendeten Tonabnehmer aus. Faustregel: Je näher das Gegengewicht am Lager sitzt, umso besser. Und natürlich haben wir für den Tonabnehmer-Einbau eine Geometrie-Schablone sowie eine elektronische Tonarmwaage - mittlerweile keine große Investition mehr - bemüht.

MC-Abtaster

Mitgeliefert wird wieder ein Spielpartner von Ortofon, das Quintet Bronze. Und klar, der Pro-Ject RPM 9 Carbon verlangt schon nach so angemessener Ausrüstung, weshalb das 600 Euro teure MC-System alles andere als Übertreibung darstellt. Durch seine mittlere Nadelnachgiebigkeit harmoniert es bestens mit mittelschweren Tonarmen. Und mit einem Abschlusswiderstand zwischen 50 und 100 Ohm sollte das etwas niederohmige Ortofon gut zurechtkommen, empfohlen sind weiter 23 Millinewton Auflagekraft.

Und der Antrieb? Schlicht ein Extramotor, der neben dem Laufwerk steht und einen um den Teller gelegten Riemen antreibt. Vinyl-Einsteigern würden wir trotzdem empfehlen, sich zumindest, was die Justage des Abtasters angeht, Hilfe zu verschaffen.

Ortofon Quintet Bronze
So leuchtend in oranger Farbe fällt das Ortofon Quintet Bronze wohl sofort auf. Die geraden Kanten des Systemkörpers sind sehr praktisch bei der Justage, die am besten mit einer vorne quer aufgeklebten Druck- bleistiftmine zu realisieren ist.
© Ortofon

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Das quirlig-geschmeidige, durchaus einen Hauch hochton-freundliche Ortofon wird vom Pro-Ject RPM 9 Carbon nicht nur gut unterstützt, sondern vielmehr gefördert. So geraten die Klangfarben noch intensiver, dabei öffnet sich der Raum mehr in die Tiefe denn in die Breite. An der dreidimensionalen Vorstellung insgesamt gibt es nichts auszusetzen; auch, weil das Ensemble immer homogen und luftig aufspielt, große Orchester transparent auseinander dividiert und nie zu voluminös oder gar übertrieben wuchtig erscheint. Die Stärken des Laufwerks - Ruhe, ein solides Tieftonfundament und Timing-Sicherheit - sind klar hörbar, wobei diese Kombi nicht zu Nervosität, sondern eher zu souveräner Gelassenheit neigt. Da mag es bei der Konkurrenz spritzigere Auftritte geben, die aber meist mit deutlich höherer Nervosität und blasseren Klangfarben verbunden sind.

Gelassen oder ungestüm

Letztlich eine Angelegenheit des persönlichen Geschmacks. Hier muss man sich zwischen der stoischen Gelassenheit von Massekonzepten einerseits und der übersprudelnden, aber manchmal auch ungestümen Gangart leichter Subchassis- Spieler entscheiden. Mit einem Seitenblick auf Klassikfans - obwohl solche Unterscheidungen an sich nicht gerade rational sind -, empfehlen wir das Pro-Ject-Paket wärmstens an die Genießerfraktion.

Testfazit

Gelungenes, sehr harmonisches  Gesamtpaket für höhere Ansprüche in gediegener Optik und Ausführung. Obwohl rein gar nichts gegen den Tonabnehmer spricht, bietet der gute Tonarm hier sogar noch "Führungs"-Luft nach oben.

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