Testbericht
Pro-Ject Phono Box RS im Test
Mit der RS-Baureihe wagen sich die Preis-Leistungs-Spezialisten von Pro-Ject in vornehme Gefilde. Noch nie war ein Pro-Ject-Preamp so teuer - und so gut.
Günstig, schlicht und gut - wenn man Hi-Fi-Menschen diese drei Begriffe vorlegt, werden sie sehr schnell - wenn nicht gar als erstes - "Pro-Ject" sagen. Die österreichisch-tschechische Marke hat sich zuerst mit sagenhaft preiswerten Plattenspielern und bald darauf mit den schwarzen Kästchen aus der Box-Serie den Ruf eines audiophilen Robin Hood erarbeitet. Die neue RS-Serie will dazu gar nicht mehr so recht passen: Statt in bescheidenem, gleichwohl robustem Räuberzivil aus Stahlprofil und eher dünner Alufront betritt sie selbstbewusst in herrschaftlichem Prunk die Bühne: Massives Aluminium ist das Material der Wahl, präzise zurechtgefräst, mit soliden Metallknöpfen und -kippschaltern an der Front und höchstwertigen Buchsen am Heck. Bei fast jeder anderen Marke hätten die Fans solche Dekadenz mißtrauischer beäugt: "Jetzt wollen die sicher Kasse machen".
Wer dagegen beobachtete, wie die Nachricht von den RS-Komponenten auf Messen und sonstigen Hi-Fi-Pow-Wows aufgenommen wurde, bekam eher freudige Erwartung zu spüren, die einem einfachen Dreisatz entspringt: Wenn Pro-Ject etwa für 155 Euro einen so fabelhaften Phono-Preamp wie die Phono Box USB V (zum Test) auf die Gummifüße stellen kann, dann muss nach Adam Riese die mehr als fünfmal so teure Phono Box RS auch fünfmal so gut, also praktisch sensationell klingen. Soviel Vertrauen muss man sich erstmal verdienen. In Wirklichkeit ist die Relation zwischen Qualität und Preis natürlich nicht linear, sondern gleicht gefühlt eher einer Expotentialkurve. Dennoch haben auch die AUDIO-Tester fieberhaft auf den ersten Spross der RS-Serie gewartet. Im Herbst folgen ihm Netzwerkplayer, Vor- und Vollverstärker, eine ganze neue Box-Familie - es bleibt also spannend. Zumal die Phono Box RS das Prinzip, für den Preis fast unrealistisch viel Gegenwert zu bieten, fröhlich weiterverfolgt.
Phono Box RS: Anschlüsse
Für 840 Euro kommt die MM- und MC-taugliche Phono-Vorstufe im erwähnten Massivgehäuse und mit zwei kompletten Anschluss-Gruppen: Sowohl Ein- als auch Ausgänge stehen nicht nur in Cinch-, sondern auch im symmetrischen XLR-Format zur Verfügung. Das ist nicht nur selten in dieser Preisklasse, sondern vor allem für MC-Hörer schon mal eine gute Nachricht. Denn die Erfahrung zeigt, dass die Moving-Coil-Systeme, deren Generatorspulen von Natur aus ein symmetrisches Signal liefern, einfach strukturierter und feiner klingen, wenn man sie symmetrisch weiterverarbeitet. Das trifft auch in dem ebenfalls möglichen Mischfall mit symmetrischen Ein- und unsymmetrischen Ausgängen zu. Geht man auch per XLR raus, hängt es von den danach folgenden Amps ab, ob das einen weiteren Vorteil bringt: Die Ayre-Kombi im AUDIO-Hörraum etwa klingt symmetrisch angesteuert prinzipiell eine Klasse besser, viele andere Amps sind eher indifferent.
Phono Box RS: Einstellung
Klar hörbar ist dagegen stets der Abschlusswiderstand des MC-Eingangs - wobei es da keinen idealen Wert gibt, sondern die Abstimmung auf den jeweiligen Tonabnehmer entscheidet. Als erste dem Autor bekannte Phonostufe bietet die RS dem Nutzer hier eine stufenlose Anpassung per Drehknopf: Statt sich mühsam mit Mäuseklavieren, Steck- oder gar Lötlösungen zu quälen, kann sich der Vinylist hier im Bereich zwischen 10 und 1400O völlig frei bewegen. Ist das Optimum gefunden, können Hardcore-Analogos, die dem hochwertigen und teuren Poti im RS dann doch nicht trauen, dieses per "fixed"-Schalter umgehen und den Optimalwert (unter Berücksichtigung der dann 47kOhm betragenden Eingangsimpedanz) einfach per Festwiderstand ... äh ... fixieren.
Die Tester gingen nicht ganz so weit und tarierten das Transrotor Merlo Reference flugs über das Poti aus - mit "Skotoseme" von Diamanda Galas & John Paul Jones (von der für nervenstarke Musikfreunde empfehlenswerten Kooperation "The Sporting Life") ein Riesenspaß, der schnell in einem Wert um 200Ohm herum resultierte.
Phono Box RS: Hörtest
Die Tester hatten vorsichtshalber gleich sehr hoch gegriffen und zum Vergleich den Creek Wyndsor (zum Test) am zweiten, gleichfalls symmetrischen Phonokabel befestigt - und staunten nicht schlecht, als der sich bei "Surf's Up" von den Beach Boys (im Stereomix von der fabelhaften "Smile Sessions") gar nicht so deutlich von seinem nicht mal halb so teuren Rivalen distanzieren konnte: Brian Wilsons Stimme klang jedenfalls via Pro-Ject mindestens genauso fein artikuliert und verständlich. Mit toller Auflösung und weitem Raum blieb der Pro-Ject dem Creek auch bei den folgenden Platten auf den Fersen - letztlich blieb der noch etwas farbkräftigere, im Bass druckvollere Wyndsor aber doch knapper Sieger. Was angesichts des Preises auch niemand verwundert - der Pro-Ject jedenfalls darf sich nach dieser Vorstellung zu den empfehlenswertesten Phono-Pres unter 1000 Euro zählen. Hood, pardon, Hut ab!
Fazit
Der Phono-Preamp ist schon mal spitze - jetzt sind wir umso gespannter auf die anderen Familienmitglieder, in denen - potzblitz! - teilweise sogar Röhren werkeln sollen. Ich freue mich schon auf den Herbst - da kommt die komplette RS -Kette zum Test.
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