Streaming-Preamp
Naim NAC-N 272 im Test
Netzwerkplayer, Analog-Vorverstärker, D/A-Wandler, alles in einem Gerät - das gibt es nicht nur von Naim. Doch nach dem Test ist klar: Für andere Streaming-Preamps ist der neue NAC-N 272 ein Angstgegner: Nur selten sind alle Komponenten so ausgereift, fast nie ist die Integration so elegant wie hier.
Früher waren Naim-Fans einfacher zufriedenzustellen: War mal wieder genügend Geld auf dem Hobbykonto, sprach man beim Händler vor, stellte fest, dass etwa das Phonoteil oder die Aktivweiche noch nicht mit dem besten Netzteil versorgt wurde, machte ein paar Hörvergleiche und orderte die nächste Kiste aus Salisbury. Naim-Entwickler wünschen sich sicher manchmal diese Zeiten zurück, als Fortschritt noch vom Selektionsgrad der Trafos, Transistoren und Spannungsregler oder der Laufrichtung geräteinterner Kabelbäume abhing.
Heute gelten im Naim-Werk dieselben obsessiven Qualitätskriterien wie früher. Hinzugekommen sind aber ein deutlich höherer Anspruch an die Optik und Oberflächen-Präzision sowie die feste Absicht, beim Thema Streaming ganz weit vorn mitzuspielen. Netzwerkspieler wie der NDX beweisen, dass die Engländer damit zwar viel Arbeit, aber letztlich kein Problem haben. Umso größer war die Vorfreude auf die NAC-N272.
Funktionalität
Bei der NAC-N272 handelt es sich um eine Kombination aus Streamer, D/A-Wandler und vollwertiger Analog-Vorstufe. In jeder dieser drei Disziplinen hat Naim eine ganz eigene, souveräne Handschrift. Die Vorstufe etwa basiert auf jahrzehntelang gewachsenen Schaltungen, die auf ICs bis heute weitestgehend verzichten, mit ihrem schönen Layout und vielen charakteristischen Bauteilen (etwa Tantal- und Styroflex-Cs) auf Anhieb nach Naim aussehen und auch so klingen.
Charakteristisch ist natürlich auch die Koexistenz von DIN- und Cinch-Anschlüssen am Heck. Welche Ein- und Ausgänge aktiv sind, kann der Nutzer im Menü entscheiden, wobei Hersteller wie AUDIO-Redaktion für besten Klang selbst dann zu den archaischen DIN-Terminals raten, wenn die verbundenen Geräte zu den 99,9% gehören, die keine DINs haben - passende Adapterkabel sind nicht teuer und der klangliche Gewinn ist jenseits dessen, was man über die Qualität der eigentlichen Kabel gewinnen oder verlieren könnte.
Der Netzwerkplayer
Die wichtigste Quelle muss man gar nicht erst anschließen, sie ist in Form des Netzwerkplayers bereits eingebaut. Wie T+A oder AVM kauft Naim die grundsätzliche Streamingtechnik beim bayerischen Systemanbieter Audivo zu, hat diese aber außergewöhnlich elegant und bruchlos ins Gerätekonzept integriert. Das fängt beim dezenten, informativen Display und den logisch strukturierten Menus an und findet in der exzellenten Bedien-App seine Krönung. Es ist immer wieder ein Aha-Effekt, wenn ein Album vom lokalen NAS läuft und die App mit einem Fingertipp eine fundierte Rezension eben dieses Albums anzeigt, beteiligte Künstler und wiederum deren Soloalben auflistet - praktischerweise gleich mit Link zu Amazon.
Anbindung an Spotify Connect
Die weiterführenden Informationen und Bilder stammen aus der riesigen Datenbank von AMG, die Naim wunderbar selbstverständlich in die App eingeflochten hat. Noch schöner wäre es nur, wenn nun ein Streamingdienst in Lossless-Qualität bereitstünde, um die Musikvorschläge mit einem weiteren Klick direkt ins Wohnzimmer zu beamen - also eine Integration zum Beispiel von Tidal (a la AVM). Hier bietet Naim aktuell "nur" das nicht ganz verlustfreie Spotify Connect und hält sich hinsichtlich geplanter Dienste bedeckt - was aber meist bedeutet, dass schon daran gearbeitet wird.
Die D/A-Wandlertechnik schließlich nimmt Anleihen beim Naim-DAC und dem Top-Netzwerkspieler NDS, speist die Konverterchips also mit einem durch DSP-Intelligenz und Puffer-Trickserei hochstabil neu getakteten Bit-Strom, um Jitter-Einflüsse der jeweiligen Datenquelle zu eliminieren.
Bedienung
Und dann gibt es noch - zunächst vielleicht unbedeutend erscheinende, im Alltag aber wichtige - Kleinigkeiten wie die wunderbar fein und zugleich direkt reagierende, vom ganz großen Statement-Preamp inspirierte Lautstärkeregelung, das leuchtende Naim-Logo, das eine geheime Nebenrolle als Mute-Sensortaste spielt und natürlich die Tatsache, dass die 272 unabhängig vom Betriebszustand über App, Infrarot und direkt am Gerät immer und in allen Funktionen voll bedienbar bleibt.
In der Praxis war die 272 also genau so gut, wie wir das erwartet hatten. Im Hörraum gab es aber doch noch eine Überraschung: Waren bisherige Naim-Preamps für besten Klang stets auf eine hauseigene Endstufe angewiesen, schien sich die 272 aus dieser Abhängigkeit befreit zu haben. Direkt verbunden mit der großen 3000er-Endstufe von T+A wirkte die Naim zwar wie gewohnt timingverliebt und klar strukturiert, zugleich aber auch verblüffend sanft, geschmeidig und reich an natürlichen Timbre-Schattierungen. Nicht ganz so gnadenlos exakt, dafür etwas fließender und wärmer, kam der interne Player (nun zu Vergleichszwecken über den festen Line Out gehört) ganz nahe an den hauseigenen NDX heran und zeigte selbst dem neuen T+A von Seite 16 noch ein paar Tricks.
Etwa, wie man auch im wildesten Getümmel noch jeden Musiker gleichberechtigt und mühelos mitverfolgbar spielen lassen kann, ohne dabei den inneren Zusammenhalt zu riskieren. Dass der Deutsche - ein reiner Player - noch phänomenalere Klangfarben und einen fast begehbar wirkenden Raum zaubern konnte, schmälerte die unkomplizierte, überzeugende Natürlichkeit des Naim nicht im Geringsten. Ach so: Ein Zusatz-Netzteil kann man natürlich auch der 272 spendieren - und über die Verbesserungen staunen. Ganz wie früher.
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