Passiver Hybrid-Elektrostat

Martin Logan Theos im Test

24.5.2012 von Malte Ruhnke

Hier schließen Audiophile gern die Augen: Die holographische Abbildung dieser Elektrostaten ist Legende. Jetzt verbinden Martin Logan ihren Folienwandler mit einem passiven, dynamischen Bass. Gibt es die elektrostatische Magie wirklich für moderate 5900 Euro?

ca. 4:10 Min
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© Martin Logan
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Wahre Wunderdinge berichten Martin-Logan-Fans über ihre Elektrostaten: Nur sie seien in der Lage, höchste Auflösung und genaueste Abbildung mit müheloser Transparenz zu verbinden. Verantwortlich dafür: eine elektrostatisch angetriebene Folie, die zwischen zwei elektrisch vorgeladenen Gittern schwingt, ohne dass ein Strom fließt oder nennenswerte Masse bewegt werden muss.Das Konzept geht im Bass freilich nur auf, wenn die Folie entsprechend groß ist - so bleibt die Super-Logan CLX mit Membrangrößen im Quadratmeter-Bereich denn auch der einzige Vollbereichselektrostat der US-Manufaktur. Die anderen Logans lassen sich im Bass von einem zumeist aktiven Basslautsprecher unterstützen oder sind gleich selbst komplett aktiv.Große Ausnahme im Programm ist da die Theos: Ihr Tieftöner im Achtzoll-Format spielt als passive Bassreflexkonstruktion im Sockel des Lautsprechers. Das macht für Logan die akustische Abstimmung schwieriger, hat für den Elektrostaten-Fan aber den Vorteil, dass er mit erstaunlich günstigen 5900 Euro pro Paar eine vollwertige ML mit großem Panel erhält.

Die Theos - absolut ausgereift

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Martin Logan THEOS
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Die anspruchsvolle Elektrostaten-Technologie leitet sich dabei direkt von den Spitzenmodellen CLX und Summit X ab: Die durchsichtige, hauchdünne, im Gegensatz zu konventionellen dynamischen Chassis beinahe masselose Folie aus Spezialkunststoff wird ausschließlich über ein elektrisches Wechselfeld angetrieben, das dem Musiksignal folgend die vorgeladene Folie mal in Richtung des hinteren, mal des vorderen Statorgitters anzieht, während sie vom anderen zusätzlich abgestoßen wird (Push-Pull-Antrieb).Um entsprechende Kräfte zu mobilisieren, muss das elektrische Feld, einem riesigen Kondensator ähnlich, mit Hochspannung vorgeladen werden. Und auch die Musiksignale werden durch eine Kaskade aus Spulen und Kondensatoren auf extreme Spannungswerte bei praktisch nicht vorhandenen Strömen hochgespannt. Die Membran ist extremst dünn - 20 davon gestapelt wären nicht einmal einen Millimeter dick! Damit ist die Folie auch nicht steif, wie herkömmliche Schwingflächen es sind - was allerdings die Gefahr von Partialschwingungen und Resonanzen erhöht. Martin Logan hat hier über die Jahrzehnte eine Technologie perfektioniert, dank der die Folie in unterschiedlichen Abständen durch Querverstrebungen fixiert wird und damit nicht zu Eigenschwingungen neigt.

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Hinter Gittern: Die hauchdünne Folie schimmert hinter dem vorderen Statorgitter. Unterhalb der Fotomitte erkennt man ihre zeilenförmige Einspannung gegen unkontrollierte Resonanzen.
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Das stellt höchste Anforderungen an die Fertigungsqualität - bei Martin Logan gibt es deshalb einen eigenen Vakuum-Raum, in dem die Folien unter Luftabschluss aufgespannt und dann fixiert werden. Denn die Folie muss überall einen konstanten Abstand zum Statorgitter einhalten, die ganze Konstruktion ist in der Vertikalen gebogen, was die MLs von anderen Elektrostaten grundlegend unterscheidet.Eine plane Folie wäre zwar einfacher zu bauen, würde in der Horizontalen aber wegen der zunehmenden Eigenbündelung zu einem ungleichmäßigen Richtverhalten und einem viel zu kleinen Sweet-Spot führen. In der Vertikalen ist das Phänomen ohne Bedeutung, weil die Folie einfach so hoch gefertigt wird, dass sie einen rund 110 Zentimeter hohen Bereich per Zylinderwelle beschallt und ausreichend Toleranz bei der Wahl der Hörhöhe lässt.Diese Abstrahlung hat zudem den unschätzbaren Vorteil, dass Boden- und Deckenreflexionen weitgehend ausgeblendet werden und auch bei sehr großen Hörabständen von vier Metern und mehr der direkte Schall den indirekten überwiegen kann.Im Bass und Grundton ist das Gehör zunehmend unempfindlich gegenüber solchen Feinheiten, weshalb die Theos bereits unterhalb 400 Hz dem dynamischen Bass und dem Reflexrohr die Arbeit überlässt.

Holographie und Magie im Hörraum

Im Hörraum punktete die Theos zuerst mit ihrer überragenden Abbildung: Die Art und Weise, wie sie millimetergenau die mehr als 200 Musiker in Dvoraks Requiem (Jansons) platzierte und in höchster holographischer Genauigkeit in den Raum stellte, stand den großen Logan-Brüdern in Nichts nach und verschlug den Hörern schlicht den Atem. Dabei zeigte sie gerade in den dynamischen Passagen, etwa dem "Agnus Dei", eine famose Transparenz, fächerte alle Stimmen auf, ohne den Hörer mit allzuviel Auflösung oder Höheninformation zu überlasten.Chor und Solisten stellte sie ein wenig schlank im Grundton dar, was aber der Glaubwürdigkeit und Ausgewogenheit insgesamt keinen Abbruch tat und durch das solide, unauffällig eingebundene Bassfundament des Orchesters wieder ausgeglichen wurde. Dazu zauberte die Theos einen ausgewachsenen, glaubwürdigen Raum, ohne ihr Panorama allzu sehr in die Tiefe zu ziehen, wie es andere Dipole zuweilen tun.Dass sie nichts an Hall hinzudichtete, wirkte bei von Haus aus mit wenig Räumlichkeitsinformationen gesegneten Pop- und Rockaufnahmen zuweilen etwas gnadenlos: Bei Rushs "Roll The Bones" schienen Sänger und Instrumente aus der Stereobasis herauszutreten und den Hörer mit schon fast aufdringlicher Direktheit aus nächster Nähe zu bearbeiten.

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Passiv mit Strom: Elektrostat und Bass lassen sich theoretisch getrennt ansteuern. Der Stromanschluss ist nur für die Hochvolt-Vorspannung der Gitter notwendig, ein Verstärker ist nicht integriert.
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Doch dank ihrer Transparenz und Sauberkeit und des zwar schlanken, aber knackigen und wohlgeformten Tieftones klang das wiederum extrem dynamisch, dabei nie nervig. Selbstredend zeigte der fülligere, etwas rundere Bass bei Marla Glens "Best Of" nicht die Schnelligkeit und ansatzlose, dabei stressfreie Dynamik, die den Blechbläsern zu eigen war.Doch er fügte sich homogen und ohne Nachhinken in das musikalische Geschehen ein. Auch hier versprühte sie nicht übermäßig viel Raumtiefe, sorgte aber - wenn sie in ausreichendem Hörabstand positioniert war - mit einer etwas gutmütigeren Platzierung der Instrumente für einen höheren Wohlfühlfaktor als bei der Rush-Scheibe.Einen ausgeprägten Sinn für bestimmte Musikrichtungen zeigte die Theos nicht - welche CD sich auch im Player drehte, sie blieb ihrem Charakter als Auflösungs-, Ortungs- und Dynamikwunder stets treu, verlangte dabei außer einer gewissen Portion Spannung und Strom nicht viel vom treibenden Verstärker. Wer schon immer mit einem Elektrostaten geliebäugelt hat - der Einstieg war noch nie so reizvoll wie mit der Theos.

Fazit zur Martin Logan Theos

Auch wenn ich privat aktiv und auf der Arbeit überwiegend dynamisch höre - bei Logan verstehe ich die bedingungslose Faszination für Elektrostaten. So mühelos transparent, so holographisch genau abbildend wie die Theos ist kein mir bekannter konventioneller Speaker. Dank der großen Folie klingt sie so vollwertig und dynamisch wie die teureren Logans, die Einbindung des passiven Basses ist nicht spektakulär, aber harmonisch. Ein klarer Kauftipp für alle Folienfans - und solche, die es ganz schnell werden wollen.

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