Testbericht

Lautsprecher B&W 800 Diamond

28.7.2010 von Stefan Schickedanz

Bowers & Wilkins statten ihre neue 800er-Serie komplett mit dem exquisiten Diamant-Hochtöner aus. Für das Top-Modell der Reihe, die B&W 800 Diamond (22000 Euro das Paar) galt das höchste Entwicklungsziel: die beste B&W aller Zeiten.

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Lautsprecher B&W 800 Diamond
Lautsprecher B&W 800 Diamond
© Hersteller, MPS, H. Härle, M. Runke

An dem neuen hochkarätigen Flaggschiff der britischen Traditionsschmiede gibt es so wenig Überraschendes wie beim Bankett der Queen. Alles folgt klaren Regeln und huldigt gewachsener englischer Lautsprecher-Baukunst. So spiegelt die Neuauflage der 1979 mit der 801 begründeten Erfolgsserie das Erbe ihrer Marke - und vor allem ihrer direkten Vorgänger, die in den AUDIO-Leserwahlen "Das Goldene Ohr" bei den Superboxen auf Spitzenplätze abonniert schienen. Eigentlich baut B&W keine Lautsprecher, sondern schafft Ikonen der HiFi-Technologie. Kaum ein anderer Hersteller hat es so überzeugend geschafft, nicht einfach irgendwelche extravaganten Technologien einzusetzen, sondern diese auch noch zu Markenzeichen zu stilisieren, die weit über den auserwählten Zirkel eingefleischter Audio-Enthusiasten bekannt sind.

So setzen die selbstverständlich auch in professionellen Tonstudios beheimateten Briten in ihren Topmodellen schon seit Ewigkeiten auf getrennte Kammern für Tief-, Mittel- und Hochtonbereich zum Laufzeitausgleich, für verbessertes Rundstrahlverhalten und perfekte Isolation der einzelnen Treiber. Als man die Nautilus-Technologie mit rückseitigen, sanft zulaufenden Röhren zur Absorption der nach hinten von der Membran abgestrahlten Schallenergie einführte, wurden diese nicht etwa verschämt in einer Kiste versteckt. Nein, B&W zelebrierte diese bis heute gebräuchliche Innovation in Form der Lautsprecher-Skulptur schlechthin - der legendären Ur-Nautilus, die als "Schnecke" auch in Deutschland Schlagzeilen machte.

Damit gelang den Briten sogar, was den meisten Hardware-Produzenten gewöhnlich verwehrt bleibt: Eine B&W-Box zierte ohne jegliche Nebendarsteller das Cover einer Top-Band von Weltruf: Die Avantgarde-Popper Art Of Noise verewigten den kunstvoll geschwungenen Eyecatcher auf dem Cover ihres 1989er-Albums "Below The Waste".


Gelbe Seiten

Augenfällig, aber Geschichte. Aktuell versteckt sich eine wesentliche Neuerung der evolutionär verbesserten 800 Diamond tief im Innern der mächtigen Bass-Kammer. Es ist der neuentwickelte, von außen stabförmig wirkende Antrieb mit zwei besonders starken Magneten. Diese Bauweise soll mehr Antriebsenergie bei homogenerer Kraftverteilung ermöglichen und in der Folge die Impulstreue steigern und Verzerrungen senken. Durch den verbesserten Antrieb kann B&W mit zwei 25-Zentimeter-Chassis den bisherigen Top-Treiber mit 38er-Durchmesser ersetzen.

Die aus ästhetischer Sicht begrüßenswerte Operation glückte offensichtlich auch auf technischer Ebene: Mit einer vom AUDIO-Messlabor ausgewiesenen unteren Grenzfrequenz von 24 respektive 21 Hertz bei -3 beziehungsweise -6 Dezibel übertraf das über 100 Kilo schwere Dickschiff nicht nur die eigenen Werksangaben, sondern auch das Gros der auf dem Markt befindlichen Konkurrenten. Damit die mächtigen, von riesigen Doppelmagneten angetriebenen Membranen niedriges Gewicht und hohe Steifigkeit verbinden, setzte B&W auf Rohacell. Das Material kommt als Lösung ähnlicher Zielkonflikte im Automobilrennsport und im Flugzeugbau zum Einsatz und wird wegen seiner magischen Eigenschaften auch vom französischen Lautsprecherhersteller Cabasse im großen Stil als Membranwerkstoff eingesetzt.

Damit die beiden Bässe das Fundament der aus kunstvoll geschwungenem Mehrschichtholz geformten Tieftonkammer nicht erschüttern, kommt im Inneren das bewährte Matrix-Gerippe zum Einsatz, das an eine Kreuzung aus Zeppelin und Eiswürfeleinsatz erinnert. Trotz der enormen Membranfläche des Doppelbass-Prinzips hilft B&W noch mit einer Bassreflex-Öffnung nach, die nach unten zielt. Dazu stellten die Kon-strukteure - sicher zur Freude der Designer - die ganze Box auf drei Säulen, die das unten angeschrägte Gehäuse an der Vorderseite gegen die solide Bodenplatte abstützen. Dadurch erscheint der Lautsprecher für seine Gewichtsklasse ausgesprochen leichtfüßig. Zudem gibt es bei dieser Formgebung keine parallelen Gehäusewände und damit keinen Nährboden für stehende Wellen, der Wurzel allen Dröhnübels.

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© Archiv

Diamond Drive

Einen stärkeren Antrieb mit gleich vier Magneten für mehr Drive und weniger Klirr erhielt der überarbeitete Diamant-hochtöner, der diesem Modell seinen Namen verleiht. Die Membran ist einerseits steif wie ein britischer Aristokrat aus dem 19. Jahrhundert, andererseits extrem leicht und damit wieselflink wie Starkicker David Beckham in seinen besten Tagen. Mit einem Härtegrad von 10 verkörpert ein Diamant nicht nur den besten Freund reiferer Frauen. In der Herstellung und Bearbeitung gilt er zudem als zäh und unbeugsam wie die einstige Ex-Premierministerin Margaret Thatcher. Doch die Ingenieure von B&W knackten die harte Nuss und fanden einen Weg, das Material, aus dem jetzt auch Männerträume bestehen dürften, in großer Stückzahl erschwinglich zu Kalotten zu formen (AUDIO berichtete ausführlich in Ausgabe 4/2010).

Gasphasenabscheidung sei Dank züchten die Briten unter dem Namen Chemical Vapour Deposition, kurz CVD, aus Methangas unter hohen Temperaturen mehrere der 2,5 Zentimeter großen Kalotten in einer Metallform. Dieser Chemie-Streich macht Akustikerträume wahr: Während selbst Aluminium-Kalotten gewöhnlich bei 40 Kilohertz aufbrechen, sprich zu heftigen Partialschwingungen neigen, behält der Diamant-Hochtöner von B&W seine Form bis zu 70 Kilohertz bei. Das klangliche Resultat spiegelte sich bereits in zahlreichen Hörtests und zementierte den Ruf dieser ebenso hochkarätigen wie hochauflösenden englischen Kostbarkeit. Die Oberfläche der mit Laser konfektionierten Kalotten erhält durch eine Platinbeschichtung einen silbrigen Glanz.

B&W 800 Diamond
Die Anschlussklemmen sitzen leicht zugänglich in der Bodenplatte.
© Archiv

Der Hochtöner sitzt mitsamt seinem Natilus-Rohr auf der elegant geschwungenen Mitteltonkammer aus Marlan, einem mineralischen Kunstharz mit poliertem Siebenschichtlack. Diese unfassbar aufwendige, tagelange und übrigens nur in Handarbeit zu leistende Politur macht ein gerüttelt Maß des Preises aus. Dass der gegenüber der Vorgängerin 800 D (Test in AUDIO 5/2005) nur um 2000 Euro anschwoll, kann als kalkulatorische Großtat gelten. Gegen mechanische Schwingungsübertragung aus dem Bassbereich setzt B&W eine schwimmende Lagerung ein, die zum Transport mit einer Sicherung auf der Rückseite des Gehäuses blockiert wird.

Mitteltöner aus Kevlar kennt man schon lange von Bowers & Wilkins, doch diese Form bleibt weiterhin der Upper Class vorbehalten. Statt einer gewöhnlichen Gummisicke kommt im Flaggschiff seiner Majestät eine sickenlose 15-Zentimeter-Membran mit einem schmalen FST-Dämpfungsring aus Gummi zum Einsatz. Damit wollen die Entwickler den Reflexionen von Partialschwingungen am Membranrand entgegenwirken und die Mittenwiedergabe mit noch weniger Verzerrungen und Verfärbungen bewerkstelligen.

Hören wie die Profis

Weil B&W bei den mechanischen Zutaten aus dem Vollen schöpft, genügte auf der elektronischen Seite geringster Aufwand, um den Chassis ihre Arbeitsbereiche zuzuweisen. Die einfach, aber mit erlesenen Bauteilen bestückte Weiche trennt die Bässe bei 350 Hertz ab und lässt den Mitteltöner bis 4000 Hertz hochlaufen. Letzteres ist recht ungewöhnlich, denn meist beschneiden die Entwickler die Mitten-Wandler bereits bei 3000 Hertz. Die B&W-Lösung bringt den Vorteil, den heiklen Übergang weiter aus den Stimmlagen zu entfernen, bei denen das menschliche Ohr besonders sensibel auf Phasendrehungen und Interferenzen reagiert. Das birgt indes Gefahren für das ebenfalls wichtige Rundstrahlverhalten, denn ein 15er-Konus neigt in diesen Tonlagen zur Bündelung. Dass sich die seitliche Abweichung trotzdem sehen lassen kann, stellt den Entwicklern ein gutes Zeugnis aus.

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© Archiv

Im Hörtest zeigten sich schnell Parallelen zwischen der 800 Diamond und anderen Studio-Monitoren: Wer solch einen Profi zur Hausarbeit heranzieht, staunt zunächst über jene Gelassenheit und vornehme Zurückhaltung, mit der die Musik im großen Maßstab umgesetzt wird. Die Britin bewahrte jederzeit die Etikette und verzichtete auf derbe Demonstrationen ihrer unzähligen Talente. Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer beiden Bässe enthielt sie sich exzessiver Machtdemonstrationen beim zitierten "Below The Waste" (China Records). Fast schon unauffällig zeichnete sie auch auf Jazz-Alben wie "We Get Requests" vom Oscar Peterson Trio (Verve) das Geschehen in den unteren Oktaven nach, um dabei beiläufig noch tiefer hinabzutauchen als die meisten anderen Lautsprecher. Dabei wirkte die B&W niemals langsam, auch wenn sie in Sachen Kickbass einigen Fliegengewichten nonchalant den Vortritt lassen würde.

Aber Posing ist eben nicht ihr Ding, auch nicht in den Höhen, wo ihr neuer Hochkaräter subtile Details enthüllte, ohne sie in gleißend grelles Licht zu tauchen. Die 800 folgt der Devise, der Musik nichts hinzuzufügen, so stoisch wie die königliche Garde. So, als könnte sie die Partitur lesen, setzte sie Beethovens 7. Sinfonie (Barenboim, Warner) um. Anders als manche ihrer Vorgänger wirkte die 800 Diamond zudem in den Mitten schlank und in höchstem Maße neutral.

Mit der neuen 800er lässt sich jede Art von Musik stundenlang ohne jeglichen Stress genießen. Von den tiefgründelnden Bässen der Kirchenorgel bei Saint- Saens' dritter Sinfonie über gezupften Kontrabass auf "We Get Requests" bis zum knochentrockenen E-Bass von Terri Jackson auf Thomas Dolbys "Budapest By Blimp" beherrschte sie jede Schattierung. In den oberen Tonlagen sowieso: einsame Spitze, was der Diamanthochtöner aus Triangeln, Hi-Hats oder Violinen herausarbeitete, ohne jemals hart oder vordergründig zu wirken. Je länger man hörte, desto mehr zog er dennoch die ganze Aufmerksamkeit auf sich. Im Grunde ist er nicht nur der vermutlich beste Kalottenhochtöner auf dem Markt, sondern auch der heimliche Superstar dieses All-Star-Ensembles. Wenn man erst einmal den Unterschied zu seinen, im direkten Vergleich entweder verhangen und/oder harsch wirkenden Pendants aus Seide, Metall oder Kunststoff erfahren hat, kramt man eine Aufnahme nach der anderen heraus, um sie in neuem Licht zu betrachten. Es war fast wie mit einer Rum-Verköstigung, wenn man feststellt, dass es außer Bacardi & Co. auch jahrelang im Fass gereifte Kostbarkeiten wie einen Diplomatico Reserva Exclusiva aus Venezuela gibt. Der es durchaus mit hochwertigen Cognacs etwa von Hines aufnimmt.

B&W 800 Diamond
Die vom Bassgehäuse entkoppelte Mitteltonkammer wird mit einer Transportsicherung auf der Rückseite gesichert.
© Archiv

Doch wer könnte es mit der 800 Diamond aufnehmen? Wir rollten die ebenfalls mächtigen KEF Reference 207/2 (9/07) in den Ring. Wie würden die begnadeten HiFi-Cracks neben den Studio-Profis aufspielen? Auf den ersten Blick brachten die 207/2 die B&Ws beinahe in die Defensive, denn die Wiedergabe besaß insgesamt mehr Kick. Dennoch konnten die KEFs schon mal nervös wirken, während die B&Ws stets britische Coolness an den Tag legten und selbst mit weniger guten Aufnahmen niemals barsch wirkten. Im Tiefbass boten sie noch mehr Substanz, und in den Höhen holten sie noch mehr Details an die Oberfläche und verliehen den abgebildeten Räumen einen Hauch mehr Luft. Einzig in den Mitten fehlte der insgesamt knapp überlegenen 800er gegenüber der impulsiven 207 etwas Leben.

Unterm Strich lohnen sich die 2000 Euro Aufpreis gegenüber der Vorgängerin - kommen die Extra-Euros doch nicht nur dem mit exorbitanten 104 Punkten belohnten Klang zugute, sondern auch der Ausstattung. Das Spikes-Set ist darin ebenso enthalten wie die bisher aufpreispflichtige Klavierlack-Option. Etwas lässt sich am Amp sparen, denn mit einer AK von 58 ist die neue 800 D alles andere als eine Diva. Auftrag erfüllt. Es trat auf - die beste B&W aller Zeiten.

Fazit

Mich machte der Klang der B&W 801 vor gut 30 Jahren zum High-Ender, nachdem ich mit ihr auf der damals noch in Düsseldorf angesiedelten High End Messe von Vinyl den "Antiphone Blues" mit Orgel und Saxophon scheinbar lebensecht gehört hatte. Die deutsche HiFi-Presse quengelte indes ob der zurückhaltenden Hochtonwiedergabe. Wie sich die Zeiten ändern: Dank der hochkarätigen Tweeter-Juwelen der 800 D geht die Hochtonkrone jetzt endgültig in englischen Besitz über. Glückwunsch an B&W.

B&W; 800 Diamond

B&W; 800 Diamond
Hersteller B&W;
Preis 22000.00 €
Wertung 104.0 Punkte
Testverfahren 1.0

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