Fahrsimulator-Legende

15 Jahre Gran Turismo: Kindergeburtstag in Silverstone

21.6.2013 von Stefan Schickedanz

Gran Tursimo feierte den 15. Geburtstag mit einem Event in Silverstone. Game-Guru Kazunori Yamauchi gab dabei einen Vorgeschmack auf die kommende Version Gran Turismo 6 für die Sony PlayStation. Stefan Schickedanz, unser Reporter vor Ort, lotete mit einem dreifachen Überschlag die Grenzen der runderneuerten Fahrphysik aus.

ca. 8:20 Min
Testbericht
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15 Jahre Gran Turismo Event
Fast wie im echten Leben: Mercedes SLS AMG GT3 in Silverstone.
© Sony

Ausgerechnet Silverstone. Bisher war der legendäre britische Formel-1-Kurs ein weißer Spot auf der Landkarte von Gran Turismo. Doch mit Version 6 des weltweit erfolgreichsten Fahrsimulators kommt die Strecke zumindest in der für nationale Rennen verwendeten Variante gemeinsam mit sechs weiteren Rennkursen hinzu.

Für mich bedeutet das auf der standesgemäß in Silverstone zelebrierten 15. Geburtstagsparty des über 70 Millionen mal verkauften PlayStation-Hits die Begegnung mit meinem schlimmsten Albtraum. Ich kenne die Strecke bereits aus Forza Motor Sport von der Xbox und aus dem offiziellen Formel-1-Game für die PlayStation. Und ich hege keine guten Erinnerungen daran.

Heilger Boden

Zwar verkörpert Silverstone für ausgemachte Motorsportfans so etwas wie heiligen Boden. Doch gerade an der Spielekonsole empfinde ich das Fahren darauf wegen des eigenwilligen Streckenverlaufs und der schwer einsehbaren Kurven in Verbindung mit der Spiele-typischen Weitwinkelperspektive als den reinsten Albtraum. Ich kann mich nicht erinnern, nur einmal eine Runde ohne Kleinholz überstanden zu haben.


Gran Turismo 6 Event
Mr. Gran Turismo: Kazunori Yamauchi schuf vor 15 Jahren den erfolgreichsten Fahrsimulator aller Zeiten.
© Sony

Nun sitze ich hier im Playseat mit Lenkrad und Plastik-Pedalerie und brenne darauf, eine gute Zeit in den virtuellen Asphalt zu brennen. Im vorangegangenen Ausblick auf Gran Turismo 6, das noch im dritten Quartal dieses Jahres an den Start gehen soll, versprach Game-Guru Kazunori Yamauchi eine von Grund auf neu entwickelte Physik-Engine. Dazu sicherte sich der Spiele-Erfinder und Kopf von Sonys Softwareschmiede Polyphony die Unterstützung des deutschen Fahrwerkspezialisten KW und einem Reifenhersteller.

Die Automotive-Spezialisten stellten freimütig ihre Computerdaten und ihr Know-how zur Verfügung. Den Unterschied konnte man in der Präsentation von Gran Turismo 6 deutlich sehen: Das Auto legt sich nun beispielsweise nicht einfach nur in die Kurve, sondern hebt je nach Gewichtsverteilung wie im echten Leben ein bestimmtes Rad auf der Innenseite stärker an als das andere.

Diesen Fortschritt bekomme ich schon in meiner ersten Runde Gran Turismo 6 zu spüren. Ich steche zu schnell in die Kurve, der Wagen wechselt von Unter- auf Übersteuern und bricht mit dem Heck aus. Leider hat der mit einem HD-Monitor ausgerüstete Spielesitz nicht einmal ein Force-Feedback-Lenkrad. So versuche ich mit einem völlig gefühllosen, arcadeartig realitätsfremden Steuer ein äußerst realistisch reagierendes Sportauto abzufangen.

Gran Turismo 6 Event
Highlight für GT 6: In der nächsten Version von Gran Turismo hät der Kurs von Silverstone Einzug.
© Sony

Das Unterfangen scheitert kläglich. Der Wagen schaukelt sich auf und ist schließlich nicht mehr zu kontrollieren. Breitseits segele ich ins Kiesbett, wo die Räder wie im echten Leben einsinken und den Wagen aushebeln. Was folgt ist eine dreifache Rolle seitwärts, die auf dem Monitor so realistisch aussieht, dass mir schlagartig schlecht wird.

Da stehe ich nun nach einer halben Runde und kann nicht weiter. Es geht einfach nicht, schließlich steht gleich noch der Realitätscheck mit echten Sportwagen auf dem National Circuit an. Da muss sich wieder topfit sein, denn nach einem Crash gibt es im echten Leben keinen Restart und es wird richtig peinlich und teuer.

Real Driving Simulator

Einerseits ärgerlich, denn ich bin gekommen, um mir ein Bild von der Zukunft des Spieleklassikers zu machen. Andererseits habe ich in dieser wahrlich als Crash-Kurs einzustufenden Lektion alles Wesentliche erfahren können. So nah wie in GT 6  brachte einen Gran Turismo noch nie ans Geschehen und wird mehr denn je seinem Anspruch als "Real Driving Simulator" gerecht. Die Schwachstelle ist jetzt nicht mehr die bisweilen etwas holzschnittartige Fahrphysik der Software, sondern das gefühllose Hardware-Zubehör.Darauf angesprochen erwidert Yamauchi mit einem vielsagenden Grinsen, man sei sich der Problematik durchaus bewusst und arbeite daran. Eine fast "bitgenaue" Antwort mit dem gleichen schnunzelnden Gesichtsausdruck bekomme ich auch auf die Frage nach besserem Sound. Bisher klangen im Game hochdrehende Sechszylindermotoren bisweilen wie wild gewordene Hornissen und fette V8-Sauger wie umherirrende Hummeln.

Gran Turismo 6 Event
Reality-Check: Sony stellte in Silverstone echte Supersportler bereit, um die GT-6-Vorschau gegenzuchecken.
© Sony

Schon des Öfteren ging ich für die Zeitschrift Sport Auto in Praxistests der Frage nach, ob der PlayStation-Fahrsimulator auch als Trainingsgerät für die echte Rennstrecke taugt, was durchaus der Fall war. Gerade bei komplexen Kursen wie der Nordschleife kann man sich damit sehr effektiv und schmerzfrei den Streckenverlauf einprägen.

Diesmal ist es anders. Die Streckenführung erschließt sich mir mehr im anschließenden Praxistest mit eigenen Augen statt durch eine virtuelle Kamera gesehen auf einem Monitor betrachtet. Und vor allem gibt es fühlbares Feedback über mein "Popometer". Eines hat mir allerdings bereits meine nicht zu Ende gefahrene Gran-Turismo-Runde mit auf den Weg gegeben: eine gehörige Portion Demut vor den Gefahren der Strecke. Und das ist eine reife Leistung für ein Rennspiel, ein Beleg für dessen Realitätsnähe

Die Lektion aus dem Simulator zeigt sogar so starke Wirkung, dass ich, der noch nie mit unter 300 PS auf einer Rennstrecke unterwegs war, ernsthaft überlege, mir einen der "nur" 200 PS starken Toyota GT 86 mit 2 l-Saugmotor zu nehmen. Schon der knapp 350 PS starke Nissan 370Z Nismo im Sporttrim der von Sony und Nissan ins Leben gerufenen GT Academy - einer aus virtuellen und realen Übungen bestehenden Rennfahrerschule, deren Gewinner später in echten Autorennen ihr Geschick unter Beweis stellen dürfen - würde mich auf dieser heimtückischen Strecke bestimmt überfordern. Da bin ich mir ganz sicher.

Noch sicherer bin ich mir beim Nissan GTR, einem 600PS-Bi-Turbo-Monster, das sich noch zwei Jahre zuvor reichlich respektlos mit Vollgas um den kleinen Stowe Circuit in Silverstone gescheucht hatte.

Katzenjammer

Doch zum Glück, muss sich sagen, nimmt man mir die quälende Entscheidung ab: Die Autos werden den Fahrern zugewiesen. Und ich bekomme ausgerechnet einen quietscheblauen Jaguar XKR-S mit 550-PS-Kompressor-Motor und vollen 5 Litern Hubraum. Normalerweise hätte mich die Aussicht, mit diesem Traumauto auf die Strecke zu gehen, in pure Euphorie versetzt. Doch der Überschlag wirkt nach und ich stelle an Bord des Boliden immer noch etwas kleinlaut hochkonzentriert meinen Sitz ein. Bloß keine Fehler!

Gran Turismo 6 Event
Redakteur auf Abwegen: Nach einem Dreifach-Salto in GT6 holte sich Stefan Schickedanz Selbstvertrauen zurück - im echten, rechtsgelenkten Jaguar XKR-S mit 550 PS.
© Sony

Es ist ein Rechtslenker mit der Startnummer 13. Beides ist nicht gerade geeignet, meine Stimmung zu heben. Zudem warnt mich der obligatorische Instruktor - Sony hat bei diesem Event jedes Auto mit einem Rennstrecken erprobten Vollprofi besetzt - vor dem extrem bissig ansprechenden Gaspedal. Entzückend, das kann ja heiter werden, denke ich mir als sich in einem 10 Sekunden Abstand hinter einem Nissan 370Z lustvoll aus der Boxengasse beschleunige. Der Appetit kommt beim Essen und schnell sinnierte ich, ob ich womöglich meinen Job verfehlt habe.

Man sollte meinen, dass man sich in einem Simulator, wo nichts passieren kann und man nicht mit Fliehkräften zu kämpfen hat, viel wohler fühlt als in einer echten Boden-Boden-Rakete, die mit Vollgas um den unbekannten, bewiesenermaßen schwierigen Kurs rast. Doch geht es mir mit jedem Meter auf dem realen Asphalt deutlich besser. Mein Selbstvertrauen kommt zurück und Ruckzuck habe ich zwei der von mir gestarteten Nissan aufgeschnupft. Von wegen zu stark für meine Silverstone-Kenntnisse.

Dann fordert mich mein Copilot, der stets wie ein Fahrlehrer mit dem Rückspiegel das Geschehen beobachtet auf, zwischen Maggot's und Brooklands Corner vom Gas zu gehen. Eine Vorsichtsmaßnahme, damit uns der von einem erfahrenen Rennfahrer pilotierte Mercedes SLS AMG im GT3-Renntrim gefahrlos vor der nächsten Kurve überholen kann. Kaum ist die Rennflunder mit ihrem riesigen Heckflügel an uns vorbei, ermuntert mich der Brite neben mir wieder voll aufs Gas zu gehen, um die letzten Meter vor der Kurve auszunutzen.

Den Hammer-Benz vor Augen, den bullenstarken, exzellent ausbalancierten und mit sehr guter Traktion gesegneten Jaguar unter mir, verspüre ich gerade ein Hochgefühl, das sich kaum beschreiben lässt. Schon ist die Schmach, die mir in der virtuellen Welt vor den Augen der versammelten Kollegen widerfuhr, völlig vergessen. Es gibt nur noch einen Gedanken: meine zackigen Überholmanöver und der Formationsflug mit dem AMG in die Kurve hinein auf Video Revue passieren zu lassen. Schließlich habe ich mir extra noch vor diesem außergewöhnlichen Event ein Saugnapfstativ für meine HD-Kamera geholt.

Doch ich habe offenbar wirklich den Beruf verfehlt. Weil es mir nicht gelang, eine vernünftige Position zu finden, ließ sich der Monitor nicht ganz ausklappen. Und wie sich später zeigen sollte, klappte ihn mein Kurvenspeed bereits im ersten Linksbogen hinter der Boxengasse ein. Finito, die Aufzeichnung endet just, als der Spaß anfängt. Was für eine Schande, heute kriege ich wirklich bis auf drei schnelle Runden gar nichts gebacken.

Weinger ist manchmal mehr

Immerhin sollte sich bereits beim Einbiegen in die Boxengasse der vom der Jaguar Driving Experience stammende Profi lobend über meinen Fahrstil äußern. Das überrascht mich, denn ich ging einige enge Kurvenkombinationen zu aggressiv an und musste etwas zaubern, den Jaguar sauber auf Kurs zu halten. Das war dann auch die einzige Kritik: "Wenn du diese Kurven langsamer angehst, kommst du schneller raus", gab mir der Profi mit einem anerkennenden Gesichtsausdruck mit auf den Weg. Das Problem kenne ich schon vom Kartfahren...

Gran Turismo 6 Event
Heißer Ofen: Nach einigen schnellen Runden auf dem Stowe Circuit in Silverstone dampfen die Bremsen des Nissan GTR. Seinerzeit saß Schickedanz am Steuer eines Linkslenkers.
© Sony

Letztlich endet dieser neuerliche Vergleich zwischen der Rennstrecken-Realität und der Vorschau auf Gran Turismo 6 wie auch schon viele Jahre zuvor mein erster Rennspiele-Test für die Sport Auto: Damals saßen Rennfahrer Robert Lechner - der Österreicher gewann das 24 Stunden Rennen auf dem Nürburgring in einer Dodge Viper - und ich abwechselnd im Fahrsimulator GT4 und hinter dem Volant eines echten Honda NSX: Ich staune, was mit so einer Spielekonsole (damals noch PlayStation2) alles möglich ist und philosophierte den Rest des Tages darüber, was sich aus meinem Leben hätte machen können, wenn ich nur einmal mit etwas mehr Ernst an die Sache gehen würde.

Von der PlayStation auf die Rennstrecke

Dass es durchaus möglich ist sogar direkt von der Spielekonsole ans Lenkrad eines richtigen Rennwagen zu kommen, beweist das anschließende Interview mit dem deutschen Gewinner der letzten GT Academy, Peter Pyzera. Der 25-jährige Industriemechaniker wirkt völlig locker und natürlich, als er der versammelten Journalistenschar seine unglaubliche Geschichte schildert.

Unter 95.000 Teilnehmern, die in Online-Duellen um Zehntelsekunden kämpften, kam er unter die besten 32, die ihr Können und ihre Fitness dann im echten Race Camp am Nürburgring unter Beweis stellen mussten. Nachdem er auch diese Übung bewältigt hatte, ermöglichte ihm die GT Academy eine richtige Rennfahrerkarriere. Deren vorläufigen Höhepunkt markiert das 24 Stunden Rennen von Dubai auf einem Nissan 370Z Nismo GT4.

Was Gran Turismo betrifft, peilt sein ehrgeiziger Schöpfer Yamauchi einen Rekord nach dem anderen an. In der sechsten Generation sollen dem Spieler 1.200 Autos aus aller Welt und aus allen Epochen zur Verfügung stehen. Dazu kommen 33 Locations und viele mächtige Tools, mit denen sich die Spieler ihre eigenen Rennstrecken entwerfen können.

Neben der neuen Physik-Engine setzt Yamauchi große Hoffnungen in eine weitere Verschmelzung zwischen Wirklichkeit und virtueller Welt. Wie das aussehen kann, demonstrierte er in Silverstone bereits eindrucksvoll mit einigen speziell präparierten Toyota GT 86, deren Telemetriedaten per Funk aufgezeichnet wurden, um im Anschluss die komplette Fahrt am Simulator zu rekonstruieren.

Andere Hersteller sollen in Kürze mit ähnlichem Datentausch folgen. Dann können Sportbegeisterte ihre heißen Ritte und ihre Fortschritte jederzeit in aller Ruhe aus allen Perspektiven an der PlayStation studieren. Damit möchte sich Gran Turismo endgültig als Trainingshilfe für Sportfahrer etablieren.

Lediglich eine Sache löste bei der versammelten Spielegemeinde Verwunderung aus: GT6 soll auf der PlayStation 3 laufen, obwohl in diesem Jahr die noch viel leistungsfähigere, mit Sehnsucht erwartete PlayStation 4 erscheint. Dafür soll es aber noch flexibler werden und noch mehr Benutzer anderer Plattformen in seinen Bann ziehen, denn erstmals wird Gran Turismo in der sechsten Version auch auf Smartphones, Tablets und PCs laufen.

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