Aktivbox
Grimm Audio LS1 im Test
Die LS1 von Grimm Audio ist mehr als nur eine Aktivbox. Sie verkörpert eine komplette Wiedergabekette. Mehr dazu im Test.
Wer sich mit der LS1 der jungen holländischen Firma Grimm Audio beschäftigt, spürt sehr schnell, dass dieses System in keine gewohnte Schublade passt. Nicht mal die im High-End-Sektor üblichen Preis-Gegenwert-Maßstäbe gelten, denn der Schallwandler bietet einen deutlich größeren Funktionsumfang als gewöhnliche Aktivboxen. LS1 ist, abgesehen von einem Zuspieler, eine vollständige Wiedergabekette und so gesehen weit mehr als eine profane Box. Neben Endstufen und DSP-gesteuerten Frequenzweichen (mehr dazu später) sind Wandler integriert, wobei die gesamte Signalverarbeitung auf geringste Jitterwerte und die konsequente Vermeidung von Pre-Ringing getrimmt wurde. Was der Anwender noch selbst beibringen muss oder vielmehr darf, sind Musiksignale. Notebooks eignen sich ebenso als Signalquelle wie Netzwerkspieler, die nicht mal eigene Wandler vorweisen müssen.
Auch eine Vorstufe ist entbehrlich, denn deren Funktionen sind im System integriert. Die Regelung der Lautstärke kann bequem an einem Rechner erfolgen, der zuvor mit einer Grimm-eigenen Steuersoftware ausgerüstet wurde. Haptisch ansprechender gelingt die Steuerung über den mitgelieferten Hardware-Controller, an den zwei digitale Quellen angeschlossen werden können. Im Sockelbereich der Box stehen zwei weitere Eingänge zur Verfügung, davon einer für analoge Kost.
Mehr als nur eine Box
Der Controller, der die gewohnte Vorstufe ersetzt, wird ausschließlich über den großen Drehknopf bedient. Ein leichter Druck aktiviert zum Beispiel die Mute-Funktion, deren genaue Wirkung zuvor in den Einstellungen festgelegt wurde. Durch Drücken und Drehen wird zwischen den Eingängen hin- und hergeschaltet. Einige grundlegende Einstellungen gelingen allerdings nur über die Software-Steuerung, so dass zumindest zeitweilig ein Rechner zur Verfügung stehen sollte. Die Kommunikation mit der Box erfolgt in diesem Fall über ein kompaktes USB-Interface, das ebenfalls zum Lieferumfang zählt. Die Screenshots auf den letzten Seiten vermitteln einen Eindruck vom Funktionsumfang des Systems.
Umdenken ist angesagt
Das gilt für vor allem für Form und Haptik, denn der holländische Newcomer verzichtet auf das im High-End- Sektor übliche Imponiergehabe mit fetten Chromapplikationen, komplizierten Gehäusen und Klavierlackorgien. Die Aluminiumbeine sind schwarz oder braun lackiert, in matter Ausführung. Etwas Exotik versprüht lediglich das zwischen den Trägern eingespannte Boxengehäuse, das mit Bambusfurnier in zwei Helligkeitsstufen oder weißem Corian (Kunststein) aufwarten kann.
Die komplette Elektronik inklusive der Endstufen steckt im linken Boxenfuß. Die in Kooperation mit der ebenfalls holländischen Firma Hypex entstandenen Schaltverstärker vom Typ UcD180 benötigen nur wenig Platz und erzeugen kaum Verlustwärme. Obwohl weder Kühlkörper noch Lüftungsschlitze vorhanden sind, wird der Fuß selbst bei längerem Betrieb nur etwas mehr als handwarm. Tüftler, die ihre Kette gerne mit allerlei Zubehör aufpeppen, werden sich an der LS1 die Zähne ausbeißen. An einen Wechsel der Endstufen ist nicht zu denken, auch an der weitgehend digitalen Elektronik gibt es nichts zu modifizieren. Ähnliches gilt für die Lautsprecherkabel, die aktivboxentypisch kurz ausfallen und von außen nicht zugänglich sind.
Kaufberatung: Die besten Standboxen bis 1.500 Euro
Tatsächlich hat Firmengründer Eelco Grimm, der an der School of Music & Technology in Utrecht das Fach Studiotechnik unterrichtet, alles getan, damit der Wunsch nach einer nachträglichen Optimierung erst gar nicht aufkommt. Und sein Ansatz ist bei aller Komplexität durchaus puristisch.
Zwar könnten die 48-Bit-starken DSPs mit ihrer enormen Rechenleistung mühelos jede beliebige Chassiskombination auf Linearität trimmen, doch Grimm versucht den Einsatz der Chips auf das Nötigste zu beschränken und optimiert das Signalverhalten zunächst mit konventionellen Mitteln.
Die Gehäuseform - deutlich breiter als gewohnt und dafür weniger tief - folgt akustischen Gesetzmäßigkeiten. Die großflächige Schallwand unterstützt ein gleichmäßiges Winkelverhalten, besonders bei mittleren Frequenzen. Die halbrunde Gestaltung der seitlichen Träger verhindert Kantenreflexionen und trägt so ebenfalls zur Perfektionierung des Übertragungsverhaltens bei.
Chassis von Seas
Für eine kleine Firma wie Grimm Audio würde eine eigene Chassisfertigung keinen Sinn machen. Die Holländer verwenden deshalb Treiber von Seas, die aus Norwegen zugeliefert werden. Der 8-Zoll-Konus mit Phaseplug und die ebenso breit wie gleichförmig strahlende Hochtonkalotte entspringen den Baureihen Excel und DXT, die in Fachkreisen einen hervorragenden Ruf genießen. Das Zweiwegesystem liefert damit bereits ohne jedes Equalizing ein homogenes Übertragungsverhalten ohne schwer beherrschbare Frequenz- und Phasenfehler. Das ist auch deshalb wichtig, weil ein DSP zwar sehr viel glätten kann, bei einem inhomogenen Rundstrahlverhalten aber machtlos ist, weil seine Korrekturen stets alle Raumwinkel betreffen.
Die eigentliche Signalverarbeitung folgt einem Zweistufenmodell
Zunächst werden die Frequenzgänge der Treiber bis weit über ihren späteren Übertragungsbereich hinaus geglättet. Die Frequenzweiche in Linkwitz-Riley-Topologie "sieht" so zwei hochgradig signaltreu arbeitende Zweige und muss ihnen nur noch das passende Frequenzspektrum zuweisen und eventuelle Unterschiede im Wirkungsgrad ausgleichen.
Die Vorgehensweise führt dazu, dass das akustische Verhalten dem der elektrischen Ebene sehr exakt entspricht, was bei vielen Aktiv- und erst recht Passivboxen nicht der Fall ist. Tatsächlich zeigt die LS1 ein exzellentes Frequenz- und Zeitverhalten, das eher an Elektronikbausteine erinnert als an Boxen.
Die Box lässt sich durch Subwoofer zu einem Dreiwegesystem erweitern, wobei die Bassbox auch von Fremdherstellern kommen darf. Besonders einfach gelingt die Integration mit den hauseigenen, optisch und akustisch perfekt abgestimmten Subwoofer-Modulen, die einfach auf die Sockelplatte geschoben werden. Mit gut 7.000 Euro ist die Erweiterung allerdings nicht billig.
Ein Klang an dem man sich nicht satthören kann
Die mit einem 10-Zoll-Konus von Perless bestückten Module verfügen über eigene Endstufen und werden über ein kurzes Kabel mit der Elektronik im Boxenfuß verbunden. Der Klang ändert sich durch die Woofer nicht, doch die Pegelfestigkeit steigt erheblich - und mit ihr der Spaß beim Hören. Selbiger war in der Tat gigantisch, und der Autor dieser Zeilen wie auch die versammelte Kollegenschar konnte vom wohldosierten Klang der LS1 gar nicht genug kriegen. Dass sich der Hörtest über fast zwei Wochen zog, lag nicht an etwaigen Unsicherheiten bei der Bewertung, sondern am sensationell lebendigen und reinen Klang.
Ausgewogen und detailreich tönten auch die preiswerteren Modelle unserer Aktivboxenrunde, aber keine erreichte auch nur annähernd die Natürlichkeit der Grimm. Ihr gelang das Kunststück, gleichzeitig sowohl extrem tief in die musikalischen Strukturen hineinzuleuchten, als auch völlig untechnisch aufzutreten. Das alles klang in keinster Weise nach Lautsprecher, sondern trotz überragender Deutlichkeit hochgradig rund und körperhaft, fern jeder Künstlichkeit. Eine erstklassige Beurteilung verdienen auch die Subwoofer, die klanglich perfekt integriert waren. Das melancholische "Sunshine Tonight" mit dem amerikanischen Sänger und Liedschreiber Ben Weaver (Fargo Records) nutzte die LS1 für eine besonders ergreifende Demonstration ihrer Fähigkeiten. Räumlich weit gefächert und doch holografisch genau platzierte sie den Barden und seine Gitarre derart realitätsgetreu zwischen den Boxen, dass sich alle Mithörer sicher waren, dieses lebhafte Stück noch bei keiner anderen Box derart überzeugend gehört zu haben.
Speziell in den letztlich entscheidenden audiophilen Disziplinen Natürlichkeit und Detailtreue ist die LS1 die mit Abstand beste Box, die AUDIO in über 35 Jahren testen durfte. Das, liebe Leser, ist keine Tester-Lyrik, sondern eine Verneigung vor einem Gesamtkonzept, das wie kein anderes auf Klangrichtigkeit zielt.
Fazit
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Der Newcomer Grimm Audio aus Holland erzielt aus dem Stand einen Volltreffer, der sich gewaschen hat. Die LS1 zeigt der HiFi-Welt, wie man mit DSPs und vernünftig eingesetzten Schaltverstärkern unglaubliche Ergebnisse erzielt - und das mit einem optisch eher unscheinbaren, in nahezu jedem Raum problemlos aufstellbaren Lautsprecher.
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