Lautsprecher

Gauder Berlina RC3 im Test

30.6.2015 von Andreas Günther

Nach dem Test der Gauder Berlina RC 3 mit geschlossenem Bassgehäuse stellt sich die Frage: Warum soll man viel Geld für mannshohe Standlautsprecher ausgeben? Wenn man die gleiche Summe auch für kompakte Edelboxen investieren kann?

ca. 4:05 Min
Testbericht
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Berlina RC3
Berlina RC3
© Gauder

Die Berlina RC 3 ist die komprimierte Versammlung aller Kompaktbox-Tugenden - und müsste faktisch der Superseller der Familie sein. Und das wird sie vielleicht auch noch. Denn zwei Tatsachen haben wir noch nicht erwähnt: Die Berlina ist brandneu und komplett geschlossen.

Bassreflex: Pro und Contra

Seltsam: Die meisten Konstrukteure nehmen den Trick der Bassreflex-Konstruktion als unvermeidbare Wahrheit. Das gelte nicht, sagt Mastermind Dr. Roland Gauder und führt eine lange Liste an, warum man einen Bassreflex-Port unbedingt vermeiden sollte.

Grundsätzlich sei eine Bassreflex-Öffnung ja schön, weil sie so einem kleinen Sechs-Liter-Gehäuse noch eine Oktave in der Tiefe mehr abringen kann. Doch aus dem Rohr komme nicht nur Tieftondruck, sondern auch Mittelton-Anteil. Im schlechtesten, aber verbreiteten Fall steht so ein Lautsprecher wandnah im Regal - was den Nährboden für Verfärbungen noch kräftiger gedeihen lässt. Doch ohne das Rohr würde ich auch auf eben jene wichtige Präsenz in der Tiefe verzichten. "Nicht unbedingt", wirft Dr. Gauder ein. Er denkt und konstruiert anders. Gauder setzt einen Hochpass zweiter Ordnung vor das Bass-Chassis.

Ganz offiziell lauscht man einer Box vierter Ordnung. Die zusätzliche Oktave in der Tiefe holt sich die Berlina RC 3 vom Verstärker, der etwas stärker rackern muss und drei Dezibel im Bass mehr bereitstellt. Kein Problem für die meisten modernen Verstärker, aber ein immenser Gewinn für geschlossene Kompaktboxen.

Gehäuse: Namensgeber Limousine

Der Ausruf "Ich bin eine Berlina" ist tatsächlich eine Anspielung auf die Hauptstadt. Vor allem aber nennen die Italiener so die Automobilform einer Edel-Limousine. Eine Berlina ist also ein Geschoss mit feinen Ledersitzen, großem Hubraum und gut gepolsterten Stoßdämpfern. Kein tiefer gelegter, unbequemer Sportwagen.

Was ebenfalls zu den drei Schwestermodellen passt, die Gauder bereits aufgestellt hat. Diese sind allesamt geschlossen, aber eben auch hohe Standboxen. Da taucht die Frage nach der Basstiefe nicht zwingend auf. Die Berlina RC 11 beispielsweise führt die Serie an und ist eine Riesin mit über zwei Metern Bauhöhe bei 212 Kilogramm Gewicht. Die RC 3 kommt mit 16 Kilogramm aus. Das sind für einen Kompaktling stolze Maße, aber für eine geschlossene Konstruktion mutig. Oder wie klein kann eine Edel-Limousine sein?


Berlina RC3
© Gauder

Wenn wir den Vergleich mit der Automobil-Industrie weiter bemühen, kommen wir irgendwann bei der Motorisierung an. Die ist in der Berlina RC 3 außergewöhnlich. Insider erkennen die Membranen schnell: Das sieht aus wie die Feinkost von Thiel & Partner - und ist es auch. Keramikmembranen der Marke Accuton im Tieftöner sowie im Hochtöner.

Frequenzweiche

Wer partout 6000 Euro für das Paar mehr anlegen möchte, kann sich auch Diamantmembranen in die Höhe einsetzen lassen. Das muss aber nicht sein. Da sie den gleichen Spezifikationen unterliegen, baut Gauder sie auf Wunsch auch nachträglich in das Gehäuse ein. Die Weiche steuert beide identisch an. Überhaupt die Weiche: Wären die Membranen die Kolben des Motors, so käme der Weiche die vielleicht noch wichtigere Doppelrolle von Kupplung und Getriebe zu. Gauder baut sie aus über 20 Einzelteilen auf, bei 3400 Hertz trennen sich die Arbeitsbereiche extrem steilflankig mit 50 Dezibel pro Oktave. Hier strebt jemand nach Phasenpräzision durch geringste Überlappung. So mancher Nahfeld-Studiomonitor müsste neidisch werden.

Klang: Die Kraft entscheidet

Bei der Klangbeschreibung könnte man nun langsam und lavierend die Spannung erhöhen - oder gleich den Superlativ herauslassen: einer der besten Kompaktmonitore, der je in unserem Hörraum aufspielte. Großartig vor allem in seiner entspannten Selbstverständlichkeit. Nichts erschien ihm zu schwer für die großformatige Darstellung - sowohl in der Panorama-Abbildung als auch in der inneren harmonischen Struktur. Mit "Kisses On The Bottom" hat Paul McCartney ein vertracktes Album aufgelegt.

An den meisten Lautsprechern klingt das edel, aber mitunter starr. Allesamt Songs, die der junge McCartney am Radio bewunderte und nun selbst swingen wollte. Die CD ist gut, die Doppel-LP (Concord/Universal) besser. Wenn die High- End-Kette zu viel Glanz darauf legt, schwindet der Drive im Oberbass. Wenn der Bass zu viel Druck nach vorn legt, bricht der Raum um wichtige Kubikmeter ein. Das Zusammenspiel von Verstärker und Lautsprecher entscheidet.

Berlina RC3 Töner
Gauder vertraut den Keramikmembranen von Accuton - und bindet sie ebenso komplex wie eigenwillig ein: entkoppelt von der Masseführung des Verstärkers, extrem steilflankig getrennt mit 50 db pro Oktave. Zudem setzt ab 20 Hertz ein Subsonic-Filter an.
© Gauder

Das Konzept der Berlina RC 3 harmonierte in unserem Test mit einem Röhrenamp nur begrenzt; Tempo und Leistungsbereitschaft zweier großer Mono- Transistoren erwiesen sich als die deutlich bessere Wahl. Interessant, was nicht da war: eben kein Säuseln im höchsten Hochtonbereich, sondern stets Körperlichkeit plus Raum. Mit der Singstimme weit vor der Membranebene - fast eine akustische Täuschung. Das scheint auch angesichts der Messergebnisse Konzept zu sein: der eher zurückgenommene Umgang mit der Höhenpräsenz, die Fixierung auf entspannte Mitten.

Harmonie der Chassis

Wir haben nochmals quer verglichen mit der fast gleich großen, doch einfacher aufgebauten Arcona 40 aus dem Gauder- Katalog.Der Umgang mit dem Obertonspektrum ist offenbar ein Firmenideal, doch die souveräne Geschlossenheit der räumlichen Abbildung konnte die Arcona nicht erreichen.

Es liegt an dem wirklich perfekt geratenen Zusammenspiel der Chassis in der Berlina RC 3. Hier gab es nicht den Hauch einer Timing-Irritation - das klang so harmonisch, geschlossen, fein wie die besten Koax- Chassis.

Fazit

Zur Feier des Arbeitstages legten wir noch eine Klassik-Silberscheibe auf: Schostakowitsch, siebte Sinfonie, frisch eingespielt vom Russian National Orchestra unter Paavo Järvi (SACD, Pentatone). Auf dem Dynamik-Peak beginnen selbst Standboxen zu schwitzen und zu komprimieren (und im schlechtesten Fall auch zu schreien). Die Berlina blieb auf Kurs: großformatig, weit, mitreißend.

Eine der stärksten Argumentationshilfen für die kompakte Bauform. Das zeigt, dass es eben auch ohne Bassreflex-Port geht. Warum so viel Geld für mannshohe Standlautsprecher ausgeben? Wenn man die gleiche Summe auch für kompakte Edelboxen anlegen kann.

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