Standboxen

Gauder Berlina RC 7 im Test

1.6.2015 von Wolfram Eifert

Frequenzweichen gelten als wenig klangfördernd. Dr. Roland Gauder, Gründer der gleichnamigen Boxenmanufaktur, will mit dieser Einschätzung aufräumen und seine verfeinerte Berlina RC 7 mit vollsymmetrischen Filtern zu neuen Bestleistungen treiben. Ob's gelingt, zeigt der Test.

ca. 4:35 Min
Testbericht
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Gauder Berlina RC7
Gauder Berlina RC7
© Gauder

Kaum hatte AUDIO die sagenhaft vornehm klingende Berlina RC 9 im Januar dieses Jahres zur Referenzbox gekürt, konnte der Hersteller Gauder Akustik, die mittlerweile durchaus legendäre Boxenmanufaktur aus dem schwäbischen Renningen, schon den nächsten Erfolg vermelden. Bei der Consumer Electronics Show in Las Vegas erhielt der mit vier Keramik- und zwei Diamantsystemen bestückte Luxusliner (Paarpreis 96.000 Euro) prompt einen Best-Sound-Of-Show-Award.

Deutlich zierlicher, doch konstruktiv ähnlich zeigt sich die RC 7, die gerade mal ein glattes Viertel der Kosten ihrer großen Schwester verschlingt. Die aktuell günstigste Standbox aus dem Berlina- Baukasten nutzt kleinere Basstreiber und verzichtet auf eine separate Schallquelle für die oberen Mitten. Hinzu kommt: Kalottensysteme mit Diamantmembranen - Serie bei der RC 9 - erhalten 7er-Kunden nur gegen Zuzahlung.

Die mit gut 1,20 Meter nicht übertrieben große Standbox wurde erstmals 2010 vorgestellt und erhielt vor kurzem eine neue, nochmal üppiger bestückte Frequenzweiche mit dem technologischen Stand der RC 9. Weil dieser Schritt zu auffallend deutlichen Klangfortschritten führte, heißt das Modell nun Mk II.

Firmenchef Roland Gauder war lange Zeit ein Fan von Papier- und Gewebemembranen, wegen ihrer ausgewogenen Klangeigenschaften und der Beherrschbarkeit auch mit vergleichsweise unkomplizierten Frequenzweichen. Unvergessen sind Modelle wie Vertigo oder Europa aus den 90ern, seinerzeit noch unter dem Label des Berliner Chassislieferanten Isophon.

Der promovierte Physiker und leidenschaftliche Musikhörer begann frühzeitig mit der rechnergestützten Entwicklung von Lautsprechern, bei der Gehäuse, Treiber und Frequenzweichen als Einheit betrachtet werden. Durch die Transformation der Parameter in Gleichungssysteme mit einer gigantischen Zahl von Unbekannten konnte Gauder das Übertragungsverhalten seiner Boxen immer besser steuern. Allgemein anerkannte Meilensteine gelangen dem Boxendoktor, wie ihn Freunde und Kollegen nennen, mit seinen erst nach der Jahrtausendwende vorgestellten Modellen Vescova und Cassiano.


Berlina RC7 Schallwand
Abgesehen von der Schallwand bestehen die Wände aus hochfesten, vertikal gestapelten Rippen mit spezieller Geometrie. Dünnere und weichere Zwischenlagen maximieren die Neutralität.
© Gauder

In diesen Boxen kamen erstmals Chassis mit Keramikmembranen zum Einsatz, die dank exakterem Schwingverhalten eine ungleich größere Signaltreue versprachen. Gauders Traum, das Übertragungsverhalten von Mehrwegeboxen mit bis zu vier Zweigen durch mathematische Verfahren darzustellen, erhielt so neue Nahrung.

Ein kolbenförmiges Schwingverhalten ohne Ausweichbewegungen und Aufbrucherscheinungen erzielen Keramikmembranen so perfekt wie kaum ein anderer Werkstoff, allerdings nur im physikalisch passenden Frequenzbereich. Werden die Wellenlängen im Verhältnis zum Membrandurchmesser zu klein, klirren die ultrasteifen Membranen wie Porzellanteller bei unachtsamer Behandlung. Die Frequenzweichen müssen ungeeignete Tonlagen deshalb wirksam ausblenden, dürfen aber keinesfalls das zeitliche Gefüge beschädigen.

Die Königsdisziplin sind stets die Mitteltonabteilungen, die über Hoch- und Tiefpasseigenschaften verfügen, weshalb sich ihre Berechnung besonders anspruchsvoll gestaltet. Bereits Cassiano und Vescova erzielten Steilheiten nahe 50 Dezibel pro Oktave in der oberen Flanke zum Hochtöner und etwa den halben Wert in Richtung Bass. In den noch jungen Topmodellen RC 11 und RC 9 sind die Mittel- und Mittelhochtonzweige erstmals vollsymmetrisch ausgelegt, sprich hier gelingt die enorme Steilheit in beide Richtungen.

Gleichzeitig soll sich eine völlig konstante Gruppenlaufzeit einstellen, was Detailtreue, Timing und Räumlichkeit zu Gute käme. Mit der Mk-II-Version halten die vollsymmetrischen Flanken auch in die RC 7 Einzug. Bis auf Kleinigkeiten an den Treibern, die vom Hersteller Accouton veranlasst sind, und einer minimal anderen Dämmung der Gehäuse wurde die Box nicht verändert. Besitzer der Erstausgabe können deshalb ihre Schätzchen zum Upgrade ins Renninger Werk schicken, wo die Boxen für 3200 Euro pro Paar mit vollständig neuen Weichen ausgestattet werden.

Berlina RC7 vertikale Stahstreben
Vertikale Stahlstreben halten die Rippen zusammen. Das unterste Element ist seitlich mit Rändelmuttern ausgestattet.
© Gauder

Wie bei den größeren Berlina-Modellen ist auch der Basszweig der RC 7 mit einem zusätzlichen Hochpassfilter ausgestattet. Seine Wirkung zeigt sich im Frequenzgang, der im Tiefbass besonders steil abfällt. Sinnfreie, subsonische Anteile werden so ausgeblendet. Gleichzeitig steigt die Belastbarkeit, während die untere Grenzfrequenz im Zusammenspiel mit den beiden im Sockel integrierten Bassreflexrohren sehr attraktive Werte nahe 30 Hertz erreicht. Der Nutzer profitiert davon gleich doppelt: Selbst bei gewagteren Pegeln bleiben die Membranauslenkungen gering, gleichzeitig kommt das Bassfundament stets bullig und präzise.

Tatsächlich vereinte die RC 7 eine fast schon körperlich spürbare Wucht mit einer Leichtigkeit im Ansprechverhalten, wie sie selbst im Ultra-High-End nur den wenigsten Boxen gelingt. Die amerikanische True-Metal-Formation Manowar gilt als Meister wildester Gitarrenriffs und Schlagzeugattacken, die auf Durchschnittsboxen gerne zu einem undefinierbaren Brei verschwimmen. Man muss diese Art von Musik nicht mögen, doch die Mk II demonstrierte mit maximaler Lässigkeit, wieviel Farbe und Struktur in den schmutzigen Sounds von "Warriors of the World" steckt.

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Weichzeichnereffekte oder tonale Zickigkeiten schien die jüngste Gauder-Box nicht mal ansatzweise zu kennen. Diese überragende Souveränität gelang auch und gerade mit Röhrenverstärkern.

Mit den wuchtigen AVM-Monoblöcken klang die RC 7 nicht ganz so ultra-detailverliebt, dafür traumhaft satt, erdverbunden und homogen. Doch völlig unabhängig vom Amp: Konzept und Klang sind bei der Berlina RC 7 Mk II von einzigartiger Qualität. Diese Box - darauf wetten die Tester - wird die Klasse der bezahlbaren Superboxen gewaltig aufmischen.

Hochwirksam, symmetrische Filter

Als Maß für die Sperrwirkung von Frequenzweichen dient die Flankensteilheit in Dezibel pro Oktave. Bei passiv angesteuerten Boxen liegt das äußerste Limit wegen der vielfältigen Wechselwirkungen in der Regel bei 18 bis 24 Dezibel.

Berlina Schema
© Gauder

Durch die Einbeziehung aller Chassis- und Gehäuseparameter kann Dr. Gauder Werte bis zu 80 dB pro Oktave darstellen. Die Technik erfordert ungewöhnlich viele Bauteile (siehe Schaltbild oben) mit teilweise exotischen Werten. Durch die hohen Steilheiten werden Überlappungen auf ein Minimum reduziert, Timing und Räumlichkeit legen zu.

Steile Resonanzen an der Rändern der Arbeitsbereiche steifer Membranen werden wirksam ausgeblendet. Mit den vielgerühmten 6-Dezibel-Filtern klingen solche Erscheinungen nahezu ungehindert durch. In der RC 7 Mk II arbeitet der Mitteltonzweig wie bei der RC 9 mit beidseitigen Steilheiten von 50 dB pro Oktave und konstanter Gruppenlaufzeit.

Fazit

Bis vor kurzem war ich mir nicht sicher, ob Hartmembranen und steile Filter immer der beste Weg sind. Mit Berlina RC 9 und nun RC 7 Mk II sind diese Zweifel obsolet. Dieses Boxenmeisterwerk vereint die Spielfreude von Breitbändern mit der Basskraft von Aktivboxen und der Neutralität hochklassiger Studiomonitore. Mein dringender Tipp: Unbedingt anhören!

Mehr Infos zu dem Thema finden Sie hier!

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