Testbericht

Definitive Mythos ST-L im Test

26.9.2014 von Marco Breddin

Die Amerikaner von Definitive Technology implementieren Flugzeugtechnologie in ihre teilaktive Mythos ST-L und definieren das klassische Sub/Sat- System neu. Der Test zeigt, dass die Hybrid-Konstruktion clever gemacht ist.

ca. 5:20 Min
Testbericht
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Definitive Mythos ST-L
Definitive Mythos ST-L
© Definitive Technology

Die jetzt getestete Definitive Mythos ST-L hat eine lange Geschichte: Die Original Mythos ST kam 2007 auf den Markt und wurde als teilaktiver, Platz sparender Standlautsprecher mit geringen Kompromissen an die Klanggüte entwickelt.

Bei der Konstruktion der Mythos ST-L hat das ursprünglich aus Kanada stammende und in Baltimore/USA ansässige Audio-Unternehmen Definitive Technology sein Grundkonzept unter die Lupe genommen und in vielen Details verbessert. Auch ist nun eine gesonderte Limited Edition in Graphite Silver erhältlich.

Gleich geblieben ist das Konzept der schlanken metallenen Säule, die formell wie eine Tragfläche aus der Luftfahrt anmutet. Der Vergleich hinkt auch nicht, basiert doch die ganze rigide und mehrfach gefalzte Aluminiumkonstruktion auf den Stabilitätsprinzipien eines Flugzeugs.

Inklusive Treiber bringt die Box dennoch 33 kg auf die Waage, was an den vielen verbauten Chassis und an der Subwoofer-Endstufe liegt. Dadurch befindet sich der Schwerpunkt der Konstruktion unten. Ein Bassreflex fehlt, stattdessen arbeiten zwei sehr flächenintensive Passiv-Radiatoren tiefe Frequenzen zur Front ab. Die ovale Form dieser Treiber täuscht, nimmt sie doch lediglich 15 cm x 25 cm ein, was bei zwei Radiatoren jedoch einem Äquivalent von 15 Zoll entspricht.

Der Aktivbass hat die gleichen Abmessungen, steckt in einem 31-Liter-Gehäuse und wird von der Weiche bei ca. 110 Hz rausgenommen.

Die beiden passiven Mitteltontreiber (siehe Bild rechts) sind über ein Polystone-Gehäuse (Kunststein) sorgfältig von den Bass-Attacken aus dem unteren Abteil entkoppelt und klinken sich bei relativ niedrigen 2,4 kHz wieder aus. Um stehende Wellen und dadurch bedingte Einfärbungen im Klangbild auszuschließen, beruhen die Ausmaße des Polystone-Gehäuses auf Fibonaccis Formel des Goldenen Schnitts.

Der passive 1-Zoll-Aluminium-Magnesium-Hochtöner steckt - frei nach dem Babuschka-Prinzip - wiederum im eigenen Gehäuse und wurde zusätzlich mit einem Gummiring entkoppelt. Alle passiven sowie aktiven Filter arbeiten mit 12 dB Flankensteilheit.

Bequem vom Sofa regeln

Als ehemaliger professioneller Studiodienstleister denkt Definitive Technology gezielt an die Anwendbarkeit seiner Hardware in professionellen Umgebungen. Doch hat der Hersteller nun auch die HiFi-Gemeinde im Visier: Es gibt eine Fernbedienung! So lässt sich der Subwoofer-Pegel bequem vom Sofa aus regeln.


Original Mythos ST-L, Definitive Technology, Lautsprecher,
Einfacher geht's nicht. Die Aktivbässe werden über eine Fernbedienung vollständig angepasst.
© stereoplay

Das funktioniert sowohl separat für links/rechts, um etwa Raummoden auszugleichen, als auch in Stereo für beide Boxen gleichzeitig. Professionell gedacht ist, dass der festgelegte Solo-Pegel für links/rechts in der Stereo-Regelung nicht verloren geht. So werden Raumasymmetrien einfach bekämpft.

Selbstverständlich kann man alle Einstellungen auch selbst an den Boxenrücken vornehmen, doch das gelingt nur durch viel Rennerei.

Flexibler Anschluss

Die Verkabelung der Mythos ST-L könnte sich zum Kabelsalat auswachsen, wenn alle Optionen wie passives Bi-Wiring und LFE-Cinch in Betracht gezogen würden. In der Regel läuft bei einem teilaktiven System immer ein Kabel mehr zur Box. Zwei lange Subwoofer-Cinchleitungen müssen also her.

Bei einem System mit Bassmanagement, wie einem AV-Receiver, müssen die Lautsprecher auf "large" gestellt und der Sub-Out mit dem LFE-Eingang der Box verbunden werden. Natürlich sollte jegliche Bassfilterung am Receiver herausgenommen werden. Am Stereovollverstärker gehört der Mythos-Subwoofer an den Pre-Out.

Standfeste Konfiguration

Querschnittsarme Säulen sind eher eine kippelige Angelegenheit - nicht aber hier. Die sternförmige Sockelplatte verleiht der Mythos eine solide Standfestigkeit, zumal durch Endstufe und Basstreiber der Schwerpunkt im unteren Teil der Box liegt. Auch eine praktische Idee, die wir gerne sehen: Spikes, die von oben mit einer Rändelschraube einstellbar sind und im Nu an einen der mitgelieferten Teller geschraubt werden können, um auf harten Böden zu stehen.

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Das passive D'Appolito-System sitzt im eigenen Volumen. Auffallend sind die Aluminium-Cones auf den 51/4-Zoll Mitteltönern, welche als Waveguide und Kühlkörper fungieren (Linear Response Waveguide). Diese wie silberne Pilze aussehenden "Wellenbrecher" verbessern Bandbreite und Linearität am oberen Frequenzende der Mitteltöner.
© stereoplay

Ist alles verkabelt, geht es an die Anpassung des Subwoofer-Levels. Das kann zunächst in 10-dB-Schritten grob über die Taster auf der Boxenrückseite passieren - um einen ungefähren Eindruck zu bekommen. Anschließend soll te man am Hörplatz mit der Fernbedienung in der Hand die Feinjustierung vornehmen. Nicht vergessen sollte man, die Boxen auf ihre jeweilige Seite mit der L/R-Taste einzuschwören, und schon ist die Mythos ST-L spielbereit.

Ein Blick ins Mythos-Innenleben

Wie in der Flugzeugtechnologie ist das parabolisch geformte Gehäuse mehrfach gerippt (mit feinen Linien durchzogen) und intern verstärkt. Die schlanke, abgerundete Form der Säule reduziert Schallbeugungen auf der Front. Vor der D'Appolito-Einheit wurde das Gitternetzwerk bewusst offen gelassen, um die weite Abstrahlungskeule unbeeinflusst zu lassen.

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Detailaufbau
© stereoplay

Der Gehäuse-Compound basiert auf einem extrudierten Aluminiumblock, in dessen oberen Teil ein Elastomer-entkoppeltes Polystone-Gehäuse eingesetzt ist. Polystone ist ein besonders dichter und mineralisch gebundener Werkstoff, der mit Sanden und gebrochenen Gesteinen vermengt wurde (auch als Kunststein bekannt). Die Vibrationstopologie konnte anhand eines Laser- Vibrometers von Klippel analysiert und optimiert werden.

Die beiden patentierten Aluminium-Conegetunten Mitteltöner (BDSS) wurden so aufeinander abgestimmt, dass sich nichtlineare Bewegungen möglichst gegenseitig auslöschen. Der Hersteller geht so weit, Sicke und Zentrierspinne bei einem der beiden Treiber negativ einzuspannen, um so eine entgegengesetzte Bewegung zum anderen Treiber zu erzwingen.

Der neue M/AA-1-Zoll-Hochtöner bekam einen mehr als doppelt so großen Magneten und eine größere Schwingspule spendiert, was für verbesserte Linearität und Klirrarmut sorgt. Der ovale 15-Zoll- Karbonfaser-Bass wird von einer mikroprozessorgesteuerten 56-Bit- DSP-Vorstufe und 1200-Watt- Class-HD-Endstufe getrieben.

Im Rausch der Tiefe

Mit Yellos exklusiver Dynamikausgabe von "Oh Yeah" (von der stereoplay-1/10-CD) legt die Mythos gleich zackig los und flutet den Hörraum mit einem tiefgreifenden Synthi-Gewitter. Das sind Druck und Bass en masse! Aber weder überlagernd noch dröhnend oder maskierend, sondern sinnvoll ergänzt. Den Bass Top-Down Sinussweep zu Beginn des Songs "The Expert" schiebt die Mythos dann noch ein ganzes Stück tiefer als das Gros bekannter Boxen, dabei bleibt sie stabil, konturiert und kräftig bis zur untersten Note.

Unbeeindruckt davon ist die D'Appolito-Einheit, die ob der schieren Höhe der Box nicht nur einen breit gedehnten, sondern auch vertikal opulenten Klangraum eröffnet. Klar und offen sind auch die wesentlichen Attribute der Mythos. Von Härten kann hier aber nicht die Rede sein, vielmehr werden Zischlaute sehr präzise getroffen und natürliche Instrumente prägnant projiziert. E-Gitarren klingen daher sehr breitbandig und klar, ohne zu nerven. Ein Klavieranschlag wird körperhaft, groß und klangfarbentreu wiedergegeben.

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Flexible Bassi-Integration: Sub Gain ermittelt grob in 10-dB-Schritten, Sub Level justiert in feinen 1-dB-Schritten. Praktisch: ein 12-Volt- Triggereingang und ein USB-Port für Software-Updates. Der LFE-Input gilt für den Vollverstärker-Pre-Out und die L/R-Taste fixiert die Aufstellung.
© stereoplay

Doch sollte man der Alu-Magnesium-Kalotte etwas Zeit gönnen - sie wird dann deutlich sanfter. Entgegen aller Befürchtungen spielt der Aktiv-Passiv-Verbund dynamisch wie eine Einheit und verbindet große Trommeln wie feine Stimmen zu einem integrativen Ganzen. Eine vollaktive ELAC Air-X spielt dagegen ihren fast schon sphärisch warmen Oberton aus und klingt noch eine Spur feiner, doch kann sie weder in puncto Bass noch Dynamik mithalten. Da ist die Mythos tatsächlich eine Macht.

Preislich weiter nach oben gegriffen, klingt unsere passive Arbeits-Referenz B&W 804 Diamond noch feinsinniger, stärker entgratet, mit plausiblerer Bühnentiefe, als die Mythos. Bassquantitativ liegen beide Boxen zwar dicht auf, die Mythos zeigt jedoch auch der B&W, wie dynamisch ein präzise konturierter Tiefbass klingen sollte. Dabei kann man nur ins Schwärmen kommen, und wer bisher noch keinen Tiefenrausch erlebt hat, sollte sich vielleicht als "Trockenübung" die Mythos gönnen.

Ein weiterer Vorteil des Konstrukts ist, dass schon bezahlbare Spitzenklasse-Verstärker wie ein Exposure 2010S2 oder Naim Nait XS 2 richtig Spaß machen. Auch ein guter AVReceiver würde sich eignen - zwei Aktiv-Subwoofer sind bereits an Bord -, schließlich muss nur die Mittelhochtoneinheit mit Spannung versorgt werden. Das wäre der Einstieg in ein Surround-Paradies. Eine schöne Synergie entsteht in Kombination auch mit einem Symphonic Line RG 14.

Clever erdacht und gemacht: Die Mythos ist eine intelligente Hybrid-Konstruktion.

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