Standbox

Canton Ergo 690 DC im Test

24.7.2013 von Wolfram Eifert

Seit mehr als 30 Jahren gibt es bei Canton hochwertige Boxen, die auf den Namen Ergo hören. Das zeitlos-gefällige Design hat sich seither nur wenig geändert, Technik und Klang dafür umso mehr.

ca. 6:30 Min
Testbericht
VG Wort Pixel
Canton Ergo 690 DC
Canton Ergo 690 DC
© Hersteller/Archiv

Pro

  • preiswerte und großvolumige Dreiwege-Oldschool-Standbox
  • ausgereifte Technik und zeitloses Design
  • klingt herrlich erwachsen und tonal ausgewogen
  • harmoniert auch mit kleineren Verstärkern

Contra


Manche Produkte der wilden 80er-Jahre waren optisch derart aufdringlich, dass sie nach wenigen Jahren wieder in der Versenkung verschwanden. Andere reiften zu Klassikern, denen man ihr wahres Alter auch nach Jahrzehnten nicht ansieht.

Hätten Sie gewusst, dass das Design der heutigen Ergo 690 auf einem über 30 Jahre alten Entwurf basiert? Die sanft gerundeten Kanten und die charakteristische Gitterabdeckung zum Schutz der Chassis besaß bereits die Ur-Ergo (siehe Bild, Seite 38 oben), die stereoplay im Dezember 1981 getestet hat.

Typische HiFi-Boxen jener Zeit waren breiter und gedrungener als ihre heutigen Geschwister. Besonders schalldruckfeste Exemplare besaßen Tieftöner im 12-Zoll-Format und waren entsprechend bullig geformt. Viele Boxen waren wegen ihrer geringen Höhe auf Podeste angewiesen, um ihre akustischen Zentren auf Ohrhöhe zu bringen.

Das Ergo-Design brach mit dieser nicht sonderlich sinnvollen Tradition. Sperrige Einzeltieftöner wurden durch mehrere kleine Treiber ersetzt, die den Raum gleichmäßiger anregen. Dank einer Bauhöhe von deutlich über einem Meter lagen Hoch- und Mitteltöner automatisch dort, wo sie aus klanglicher Sicht hingehören.

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Die klanglichen Vorteile der Bauweise waren derart überzeugend, dass auch andere Hersteller nach und nach auf den Zug aufsprangen. Heute sind Standboxen mit mehreren parallel geschalteten Tieftönern und akustischen Zentren auf Ohrhöhe die normalste Sache der Welt.

Hoch- und Mitteltöner der Ur-Ergo von 1981
Hoch- und Mitteltöner der Ur-Ergo von 1981 waren auffallend zierlich. Die Kalotte (links) aus Textilgewebe war nur 19 Millimeter groß. Der Mitteltonkonus aus Papier besaß einen 12-Zentimeter-Korb.
© Hersteller / Archiv

Canton Ergo: Design

Dass das Ergo-Design so erfolgreich wurde, liegt auch an seiner handwerklichen Umsetzung. Die fein modellierten Radien nehmen der Form die Strenge und vermitteln das, was heutige Käuferkreise gerne als Wertigkeit bezeichnen. Die Rundungen sind mit Massivholz-Viertelstäben ausgeführt und betonen so die hochwertige Verarbeitung der furnierten Oberflächen zusätzlich.

Seit der Erstausgabe wurde das Design nur behutsam modifiziert. Mit den Jahren wurden die Ergo-Modelle dem Zeitgeschmack folgend noch etwas schlanker - vor allem durch schmalere Schallwände. Auch die Furniere wurden immer wieder geändert, weil der Zeitgeist mal eher helle und dann wieder dunklere Hölzer bevorzugt. Aktuell sind Esche-Schwarz, Kirsche und Wenge verfügbar.

Canton Ergo: Aufbau

Unter der hübschen Haube hat sich wesentlich mehr getan. So haben die in der Ergo 690 eingesetzten Chassis und Filter mit denen der frühen Jahre so gut wie nichts mehr gemeinsam. Besonders deutlich wird dies beim Vergleich der Hoch- und Mitteltöner. Im Gegensatz zu den Basstreibern, die mit der Zeit kleiner wurden, wuchsen hier die Membranflächen. Der Durchmesser der Hochtonkalotten stieg von 19 auf 25 Millimeter und die Körbe der Mitteltöner vergrößerten sich von 12 auf 18 Zentimeter.

Besonders deutlich wird der Fortschritt bei den Membranwerkstoffen. Anstelle von Textilgewebe (bei Hochtönern) und beschichtetem Papier (bei Konustreibern) dient heute Aluminium als Ausgangsmaterial. Die Metallmembranen sind steifer und können komplexen Signalen präziser folgen. Auch ihre Stabilität gegenüber Umweltfaktoren wie beispielsweise UV-Licht ist höher.

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Über die Generationen stieg auch die thermische Belastbarkeit. Dafür verantwortlich sind Kleber, die höhere Temperaturen verkraften, und besser belüftete Schwingsysteme mit größeren Durchmessern. Heute liegt die Nennbelastbarkeit einer Ergo 690 bei satten 170 Watt. Dass Chassis oder Weichenbauteile wegen Überhitzung den Dienst versagten, war vor 30 Jahren keine Seltenheit, heute liegen die Ausfallraten bei sachgerechter Nutzung im Promillebereich.

Ergo-Mitteltöner
Der Ergo-Mitteltöner ist etwa sechs Zentimeter größer als das historische Vorbild. Seine Aluminiummembran und die Doppelsicke sind hochmodern. Die Hochtonkalotte bringt dank Doppelmagnet hohen Pegel.
© Hersteller / Archiv

Canton Ergo: Klang

Tatsächlich können die frühen Ergo-Generationen weder messtechnisch noch klanglich neben den Vertretern der aktuellen Baureihe bestehen. Das liegt an den stark verfeinerten Entwicklungsmethoden, die spätestens seit dem Jahrtausendwechsel von Simulationsprogrammen wie Klippel bestimmt werden. Mit deren Hilfe lässt sich das Schwingungsverhalten in einer Weise perfektionieren, die mit den früheren handwerklichen Methoden nicht darstellbar war.

Heute können die Entwickler das Rundstrahlverhalten und damit die Klangfarbentreue über die Membrangeometrie optimieren und den Frequenzgang eines Chassis an den Enden seines Einsatzgebietes so gestalten, dass im Verbund mit der passenden Filterkonfiguration das Ausschwingverhalten der Box verbessert wird.

Test: Canton Ergo 670 DC

Am deutlichsten macht sich die kontinuierliche Weiterentwicklung bei den Verzerrungen bemerkbar. Selbst bei Pegeln um 100 Dezibel (rote Linien im Klirrdiagramm in der Messwertetabelle) verzerrt die Ergo 690 in den klangentscheidenden Mitten nur sehr wenig.

Ein weiterer Grund für den entspannten Umgang der 690 mit komplexen Signalen sind die mit der jüngsten Generation eingeführten Doppelsicken für die Konusreiber. Diese gestatten den Membranen größere Hübe und federn die Bewegung dennoch zuverlässig ab.

Hörtest

Im selben Jahr, als Canton seine erste Ergo vorstellte, begann mit "Speak & Spell" die Karriere der Synthie-Pop-Band Depeche Mode. Den Durchbruch brachte "People Are People", das 1984 erschien.

Die 690 hatte mit dem melodiösen 80er-Jahre-Klassiker nicht die geringste Mühe. Der stimmbetonte, rhythmisch durchaus vertrackte Song klang mit der Ergo derart einnehmend, dass ich mir wünschte, ich hätte schon zu meiner damaligen Studentenzeit eine so klangsouveräne Box zur Verfügung gehabt. Die optisch sowie konstruktiv jüngere Vento 890.2, die kürzlich von den stereoplay- Lesern zur besten Standbox bis 5000 Euro gekürt wurde, kann das alles noch eine Spur besser. Sie klingt direkter, feiner und habhafter, kostet aber mit 3200 Euro auch 60 Prozent mehr.

Tonal jedenfalls lagen die ungleichen Canton-Geschwister extrem dicht beisammen und auch dynamisch war die etwas kleinere Ergo nicht so weit entfernt, dass man sie als preisgünstigere Alternative nicht in Erwägung ziehen könnte.

Depeche Mode sind nach wie vor sehr gut im Geschäft und haben mit ihrer brandneuen Single "Heaven" kürzlich Platz zwei in den deutschen Single- Charts erreicht. Lauschen Sie diesem klangfarbenreichen Song mal in aller Ruhe über die 690. Sie werden hören: Diese Box ist akustisch voll auf der Höhe der Zeit.

Ergo-Serie im Canton-Programm
Die Ergo-Serie ist seit 1981 im Canton-Programm.
© Hersteller / Archiv

Die Ergo-Serie seit 1981

Als Canton 1981 die erste Box mit dem Namen Ergo vorstellte, konnte niemand ahnen, dass die typischen Design-Merkmale selbst 30 Jahre später noch gefragt sein würden. Das Konzept stammt von dem Industrie-Designer Richard Fischer, der zeitweilig auch für die Braun AG tätig war. Der gebürtige Oberpfälzer war bis 1999 Professor an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach und ist 2010 leider verstorben.

Die Ur-Ergo von 1981 war zunächst ein Einzelprodukt. Die Standbox war vollaktiv und bot drei Endstufen mit je 75 Watt Dauerleistung. Sie besaß Klangregler und eine komfortable Einschaltautomatik. Eine Gegenkopplung verhalf den Tieftönern zu mehr Präzision.

Erst als sicher war, dass die Optik bei den Kunden ganz hervorragend ankam, entstanden umfangreiche Baureihen im Ergo-Stil. Das Design wurde seither kaum verändert, Treiber und Frequenzweichen hingegen regelmäßig erneuert.

Test: Canton Ergo 620

Die meisten Ergo-Modelle waren und sind reinrassige Passivboxen, doch keine Regel ohne Ausnahme. Mitte der 90er erschienen die mit Signalprozessoren vielfältig klangoptimierten Technologieträger Digital 1 und 2 im Ergo-Design. Die Ergo RC-A (Jahrgang 2001) war teilaktiv mit Endstufen für die Tieftöner inklusive elektronischer Entzerrung. Die zeitweilig extrem populären SC-Modelle erzielten über eine externe Vorschalt-Entzerrung eine tiefere Grenzfrequenz.

Die größten Veränderungen gab es über die Jahre bei den Chassis. Zu Zeiten der Ur-Ergo waren noch Bässe mit satten 25 Zentimetern Durchmesser erforderlich, um einen mittelgroßen Wohnraum angemessen mit Schalldruck zu füllen. Der heutigen Ergo 690 genügen zwei 20er für eine Klangpracht, an die eine Ur-Ergo trotz komplexerer Technik nicht heranreichte.

Ein Teil der gesteigerten Durchhörbarkeit geht auf das Konto einer in die Abstimmung einbezogenen Hochpassfilterung, die Canton seit einigen Jahren in die Filter integriert.

Dass die Klangqualität mit den Jahren stieg, liegt an vielen Details, die in der Summe enorm wirken. Klangneutralere Werkstoffe für Membranen, linearer arbeitende Antriebe und exakter abgestimmte Filter sind die wesentlichen Faktoren. Doch auch für die Besitzer älterer Ergo-Modelle ist gesorgt. Der Service von Canton kann auch die frühen Modelle noch reparieren. Notfalls werden die Treiber von Hand neu aufgebaut.

Dank der kontinuierlichen Weiterentwicklung sind die Ergo-Modelle auch heute konkurrenzfähig. Lassen wir uns überraschen, was Canton in den kommenden Jahren noch mit seinem Klassiker anstellen wird.

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