Plattenspieler

Avid Ingenium im Test

18.9.2013 von Bernhard Rietschel

Bei den gehobenen Plattenspielern, die noch einen annehmbaren Preis haben, gibt es wenig Auswahl. Der Ingenium bedeutet interessanten Zuwachs für diese Kategorie - hat der kleinste Avid-Spieler vielleicht sogar das Zeug zum Gigantenkiller?

ca. 4:00 Min
Testbericht
VG Wort Pixel
Avid Ingenium
Avid Ingenium
© Julian Bauer, Archiv

Pro

  • geschmeidig-feiner Klang
  • vielseitig kombinierbares Laufwerk

Contra

  • Gleichlauf im Neuzustand könnte besser sein

Ganz preiswerte Plattenspieler sind in ihrem Potential meist durch Kompromisse bei der Materialauswahl und dem Bearbeitungsaufwand limitiert. Wenn jedes einigermaßenpräzise gedrehte Werkstück, jede Minute, die für Montage oder Qualitätskontrolleverbraucht wird, die Kalkulation zu sprengen droht, braucht es schon eine gehörige Portion Genialität, um überzeugende Laufwerke zu bauen. Entsprechend klein ist die Zahl der Hersteller, die das immer noch hinbekommen - mit Rega und Pro-Ject sind eigentlichschon alle aufgezählt.

Kommt man in den vierstelligen Preisbereich, arbeitet es sich schon komfortabler, lässt das Budget Platz für technische Lösungen, die nicht nur zweckmäßig sind, sondern auch eine gewisse Eleganz ausstrahlen. Hier ist der Bereich, in dem Conrad Mas sich wohlfühlt. Allen Spielern von seinem Zeichenbrett, vom kleinen Diva bis zum teuren Acutus, merkt man die Lust am schönen Maschinenbau an, die aus technischen Geräten mechanisch-ästhetische Statements macht.

Der Ingenium ist Conrad Mas' Vorschlag zur Güte an alle, die seine bisherigen Spieler zu teuer fanden: Schaut her Leute, weniger geht jetzt wirklich nicht mehr: das Lager schaut ja schon zur Hälfte aus dem Chassis raus!

Audio,Technik,Plattenspieler
Der Avid steht auf drei voluminösen Pucks aus Kaugummi-weichem Sorbothan mit Filzsohlen. Dank letzterer lässt sich der Spieler verspannungsfrei und möbelschonend aufstellen. Das Laufwerk ist unkritisch, was den Aufstellort anbetrifft, sollte jedoch - da reagiert es sensibel - penibelst in die Waage gebracht werden.
© Julian Bauer, Archiv

Avid Ingenium: Aufbau

Das Chassis ist in diesem Fall ein T-förmiges Gebälk aus massivem Aluminium. Am rechten Ende des langen Hauptbalkens sitzt die Tonarmbohrung, am linken der kurze Querbalken und kurz davor, etwas nach vorne versetzt, das invertierte Tellerlager. Diese Plazierung bewirkt, dass das jeweils vordere Viertel der polierten Lagerglocke im Freien rotiert, was sehr cool aussieht.

Vor allem jedoch bleibt dadurch nicht nur unter, sondern auch hinter dem Lager reichlich Aluminium stehen, was dem Balken maximale statische Festigkeit verleiht. Diese bombenstabile, auch im mikroskopischen Sinn unverrückbare Positionierung von Tellerlager und Tonarm zueinander ist eine entscheidende Voraussetzung für präzise Abtastung. Wohl auch deshalb hat sich Mas gegen austauschbare Adapter für unterschiedliche Tonarm-Bohrungen entschieden: Avid kann passende Bohrungen für Rega-, Linn- oder SME-Arme liefern, man muss sich aber vor dem Kauf für einen dieser Standards entscheiden. Nachher mal eben schnell umswitchen geht nicht.

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Wer sich gar nicht entscheiden kann, darf den Ingenium auch als doppelarmige Version bestellen. Der Hauptbalken ist dann über die Querstrebe hinaus verlängert und trägt am linken Ende eine zweite Armbohrung. Da zudem unterschiedliche Balkenlängen lieferbar sind, wächst die Zahl der möglichen Kombinationen ins Schwindelerregende. Man könnte etwa rechts den wunderschönen, langen M2-12 von SME als Sonntagsarm einplanen und links einen einfachen Rega mit entsprechend günstigerem Tonabnehmer für Flohmarktfunde, wellige Platten und alle sonstigen Situationen, die eine etwas rustikalere Abtastkombi erfordern. Der Zweiarm-Ingenium ist zwar teurer, gemessen am Preis anderer Mehrarm-Spieler aber dennoch eine erfreuliche Bereicherung.

Audio,Technik,Plattenspieler
Unter dem Messingdeckel des Tellerlagers rotiert ein Spiegel aus synthetischem Saphir auf einer Kugel aus Wolframkarbid. Die Seitenführung übernimmt eine Buchse aus poröser, ölgetränkter Spezialbronze.
© Julian Bauer, Archiv

Hörtest

Zum Test hatten wir aber erstmal nur die Basisversion bestellt, vorbereitet für einen Neunzoll-Arm mit Linn-Geometrie und -Bohrung - Maße, welche praktischerweise auch Pro-Ject verwendet. So lässt sich mit dem unter den Neu-Armen konkurrenzlos preiswerten Kohlefaser- Querlenker Pro-Ject 9cc eine Einstiegskombi bilden, die ohne System unter 1700 Euro liegt. Und die nicht nur sehr sexy aussieht, sondern im Test -bestückt mit einem Ortofon 2M Blue und somit komplet immer noch luftig unter 2000? - klanglich enorm anmachte: Ein ruhiger Hintergrund mit ungetrübtem  stabilem Rillenrauschen verriet gleich nach dem Aufsetzen der Nadel viel über die Qualität des Tellerlagers; die ersten Töne von der aufnahmetechnisch eher schwachen, musikalisch jedoch unglaublich starken "Trouble Will Find Me" von The National klangen dannso geschmeidig als hätte jemand die LPOberfläche mit Vaseline behandelt.

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"Fast schon zu geschmeidig", begannen die Timing- und Dynamikhörer Verdacht zu schöpfen - und in der Tat konnte ein Rega RP6 noch griffiger, im positiven Sinn trockener und direkter spielen. Die Klangfarbenvielfalt und Durchhörbarkeit seines britischen Landsmannes konnte der Rega aber nur mit Mühe und kleinen Kompromissen nachspielen.

Im Tiefbass vollbrachten beide Spieler keine Wunder: Der Avid wurde ganz unten etwas zu blumig und breit, der Rega bohrte tiefere, aber recht schlanke Wurzeln in den musikalischen Untergrund. Beides war aber absolut tolerabel und hinterlässt auch auf sehr breitbandigen Anlagen nie den Eindruck, einem "kleinen" Spieler zu lauschen.

Avid Ingenium
Der Teller des Ingenium besteht aus lackiertem, präzise gedrehtem MDF, die fest verklebte Matte aus bewährtem Kork- Gummi-Mix. Das Avid-typische Klemmgewicht passt, ist aber nicht serienmäßig dabei.
© Julian Bauer, Archiv

Tonarmwechsel

Um das Potential des Spielers noch weiter zu sondieren, tauschten die Tester schließlich den Pro-Ject-Arm gegen deutlich teurere Linn-Exemplare: Der Akito, mittlerweile leider erschreckende 1785? teuer, brachte einen enormen Zuwachs an Grip, Dynamik und Sauberkeit, stellt also, eventuell auch als Gebrauchtkauf, einen attraktiven Upgrade-Wegdar. Zumal sich für den Pro-Ject schnell ein dankbarer Abnehmer finden sollte - etwa um damit einen weiteren Avid-Einstieg preislich noch etwas zu drücken.

Auch Linn Ekos gibt es gelegentlich gebraucht zu kaufen - neu kostet der Arm mehr als das Vierfache des Avid-Laufwerks und ist damit kontraindiziert. Unbedingt sein muss er aber eh nicht, weil der Ingenium bereits mit dem Akito weitestgehend ausgereizt schien - ein Versuch mit einem älteren, top erhaltenen Ekos brachte keine dramatischen Verbesserungen mehr.

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