Standbox
ATC EL150 SLP im Test
Die ganze Welt baut schmale Lautsprecher. Nur ein englischer Hersteller widersetzt sich dem Trend. Seine Boxen sind so breit wie der Turm einer Trutzburg aus dem Mittelalter. Aus Trotz? Nein, der ATC EL150 SLP bedient sich handfester akustischer Argumenten und dem Anspruch, Studioklang heimzuholen.
Der englische Lautsprecher ATC EL150 SLP für Sie im Test: Warum werden HiFi-Standlautsprecher in der Mehrzahl eigentlich immer schmaler? Akustische Gründe lassen sich dafür kaum anführen. Breite Boxen ermöglichen größere Membranflächen und Volumina, und auch ihr Bündelungsverhalten ist in der Regel leichter konstant zu gestalten und weniger von Kantenreflexionen beeinflusst.
In den meisten Tonstudios geht man sogar noch einen Schritt weiter: Dort werden die Hauptlautsprecher gleich in die Wand eingebaut und arbeiten damit quasi in einer unendlichen Schallwand. So empfiehlt das auch Billy Woodman, Gründer und Vordenker der legendären Monitormanufaktur ATC. Die Engländer gehören zu den wenigen Firmen, die seit Jahrzehnten sowohl im professionellen als auch im High-End-Sektor erfolgreich sind, und kümmern sich deshalb weniger um Designtrends.
Das gilt erst recht für das Flaggschiff der passiven Heimlautsprecher, die EL150 SLP für die stolze Summe von 43000 Euro das Paar. Ihre ungewöhnliche Form - ovale Grundfläche, mehr breit als tief - ist die konsequente Übertragung der Studio-Ideale ins Heim. Denn wenn keine unendliche Schallwand zur Verfügung steht, so der Gedanke von Woodman, dann baue man eine möglichst breite Box und verrunde ihre Seiten so stark wie möglich, um wenigstens im Mittelhochtonbereich die gleichmäßige Bündelung des Wandeinbaus zu erreichen und zugleich Kantenreflexionen vollkommen zu eliminieren.
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Denn Letzteres funktioniert zumindest im Mittelton auch nur dann, wenn die Verrundung groß ist gegen die Wellenlänge, weil dann die parallel zur Schallwand abgestrahlten Wellen sanft um die Rundung herum gebeugt werden. Ein weiterer positiver Effekt der ungewöhnlichen Form: Resonanzen und stehende Wellen im Gehäuse haben kaum eine Chance; die Gehäusewände sind durch ihre Verrundung zudem ausgesprochen verwindungssteif und resonanzhemmend.
Innere Werte
Die Bestückung folgt einem lupenreinen Drei-Wege-Prinzip mit klassischem Tief-, Mittel-und Hochtöner, wie es heute immer seltener wird. Die Ein- Zoll-Seidenkalotte sorgt für die Höhen oberhalb 3500 Hz, was ihr einen besonders weiten Dynamikbereich garantiert.
Kümmert sich doch um den kompletten Präsenzbereich die für ihre Transparenz weltweit gerühmte 3-Zoll-Mitteltonkalotte, die mit ihrer 76 Millimeter durchmessenden, sehr kurz gewickelten Schwingspule Leistungen von bis zu 150 Watt in feinste Mitteltöne umsetzt.
Letzere treibt eine fast halbrunde Kalottenmembran aus beschichtetem Gewebematerial an, das für eine besonders hohe innere Dämpfung und ein sanftes Auskoppeln des inneren Teils zu hohen Frequenzen hin aufgebracht wurde.
Da im echten Mitteltonbereich nur geringe Hübe notwendig sind und die Konstruktion mit einem extrem homogenen Magnetfeld die äußeren Membranteile vollkommen hubförmig antreibt, sind Verzerrungen im Arbeitsbereich praktisch nicht messbar. Einzig größere Hübe im Bereich der Eigenresonanz sind nicht ihr Ding, weshalb die Frequenzweiche sie bereits bei 380 Hz wieder abblendet.
Dem gleichen Gedanken folgt auch die Konstruktion des massigen 15-Zöllers mit seinem "Super Linear"-Antrieb. Der massive Gusskorb ragt etwas über die eigentliche Schallwand hinaus, was aber durch die tiefe Abkopplung akustisch vollkommen irrelevant ist. Die Öffnung unterhalb des Basses sieht aus wie ein Bassreflexrohr, unterscheidet sich in der Abstimmung aber grundlegend von einem solchen.
Ein Schaf im Wolfspelz
Im positiven Sinne erwies sich die EL150 als optisch-akustische Täuschung: Wer eine massige, basslastige und schwergängige Vorstellung erwartet hatte, wurde gleich mehrfach positiv überrascht. Jacques Loussiers "Play Bach" etwa stellte sie mit satter Tiefe dar, aber leichtfüßig; schnell und behände zirkelte der 15-Zöller die filigranen Bassläufe in den Hörraum.
Die ATC konnte laut, sehr laut spielen. So laut, dass selbst unser Lagermeister Cihangir Ergen noch im Nachbarflur die satten Basswellen spürte und neugierig im Hörraum vorbeischaute. Doch es gab keinen Zwang dazu: Schon bei geringsten Pegeln brillierte die "Große" mit feinperliger Auflösung und einer satten Tiefe.
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Bei Saints-Saens' Orgelsinfonie (dirigiert von Christoph Eschenbach) hielten sich die tiefen Töne mit britischem Understatement zurück und fügten sich harmonisch und mit perfektem Timing ins Finale ein. Mit ihrer Geschlossenheit in der Orchesterdarstellung und der extrem guten Ortung erinnerte die ATC eher an die feinsten Kleinmonitore im Nahfeld, wobei sie die Bühne schön angenehm in der Tiefe, doch nicht überbordend in der Breite ausleuchtete. Hier waren Fingerspitzengefühl in der Aufstellung und eine gute Raumakustik gefragt, dann klappte es mit einer Konzertsaal-Abbildung.
Der Choral "Ein feste Burg" aus Meyerbeers "Hugenotten" (Diederich) forderte Neutralität und Transparenz: Die Plastizität des Tutti-Klanges und die Stressfreiheit erinnerten an die besten Elektrostaten, setzten sich bei hohen Pegeln aber mühelos in den Tieftonbereich fort.
Das demonstrierte ein Hörtestklassiker: Chris Jones' "No Sanctuary". Für gewöhnlich füllt dessen Fundament den Raum mit Dröhnen, doch die ATC arbeitete das feine Schnalzen des Basses, die rhythmischen Feinheiten und den Groove heraus, ohne den Tiefton breiig klingen zu lassen. Kein Zweifel: Hier war eine der besten Passivboxen der Welt zu Gast im stereoplay-Hörraum - und eine mit höchstem Spaßfaktor dazu.
Bassreflex und Phasengang
Die Öffnung unterhalb des ATC-Tieftöners sieht aus wie ein Bassreflexrohr, aber ist nach gängiger akustischer Lehrmeinung keines. Denn ein solcher klassischer Helmholtz-Resonator, der rund um eine Tuning-Frequenz schwingt und seinen Antrieb aus der Federkraft der eingeschlossenen Luft bezieht, müsste im Impedanzgang in Form eines Minimums Spuren hinterlassen. Üblicherweise erkennt man Reflexboxen am "Double Peak" im Tiefbassbereich mit starken Phasendrehungen.
Praxis: Lautsprecher richtig aufstellen und einwinkeln
Die ATC weist jedoch nur einen einzigen, moderaten Impedanzanstieg um 40 Hz auf, was eher auf eine bedämpfte Abstimmung, sogenannten Terminated Reflex, als auf einen Resonator zur Pegelverstärkung hindeutet. Verstärkerfreundlich ist dieser Phasengang zudem.
Aktiv oder passiv?
Als Vertreter der Studiozunft setzt ATC auf aktive Konzepte. So gibt es zur EL150 SLP auch ein Schwestermodell mit elektronischer Frequenzweiche. Diese ist nicht in den Boxen eingebaut, sondern in Form des Elektronikmoduls P6 mit sechs Endstufenkanälen abgesetzt.
Klanglich und messtechnisch sind die Unterschiede zwischen beiden Versionen erstaunlich gering, die aktive bot eine etwas bessere Fokussierung, die passive mehr Dynamik und Durchzug im Bass. Ein Upgrade von passiv zu aktiv ist im Regelfall nicht vorgesehen - Sie haben die Wahl!
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