Testbericht

Aktiv-Lautsprecher ATC SCM 100 ASL FF

11.2.2011 von Holger Biermann und Wolfram Eifert

Im Studiobereich ist ATC aus England längst eine feste Größe. Doch die legendären Aktivmonitore sind auch für daheim hochinteressant, wie der ATC SCM 100 ASL FF (16500 Euro das Paar).

ca. 4:20 Min
Testbericht
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  1. Aktiv-Lautsprecher ATC SCM 100 ASL FF
  2. Aus dem Messlabor
  3. Datenblatt
Aktiv-Lautsprecher ATC SCM 100 ASL FF
Aktiv-Lautsprecher ATC SCM 100 ASL FF
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Die stringent quaderförmige Bauweise lässt bei seitlicher Betrachtung die Schallwand (1) etwas hervortreten - wie auch Teile der auf der Rückseite in das Kabinett eingelassenen Elektronik (2). Das Design ist klassisch schlicht.
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Kopfschütteln und Verwunderung sind typische Reaktionen, wenn Tonstudiospezialisten oder Musiker über ihre Erfahrungen im privaten Umfeld berichten. Am anderen Ende der Verwertungskette, so das Credo der Profis, sei zwar vielfach edelstes Equipment vorhanden, oft aber würden die einfachsten Grundsätze bei Aufstellung und Raumakustik missachtet. Und mancher wohlmeinende Enthusiast sei so besessen von klanglichen Teilaspekten seiner Kette, dass er Basiseigenschaften wie die der tonalen Ausgewogenheit aus den Augen verliere.

Dabei können Private, die vielfach nicht die Vergleichsmöglichkeiten der Profis haben, von den Erfahrungen der produzierenden Seite relativ einfach profitieren: indem sie sich mit deren Gepflogenheiten unvoreingenommen auseinandersetzen und jene Teile, die auch zu Hause sinnvoll sind, kurzerhand übernehmen.

Da wäre zum Beispiel die Vorliebe für Aktivboxen, von denen Profis grundsätzlich überzeugt sind - weil die Bauform konstruktiv größere Freiräume bietet, weil der Hersteller alle Baugruppen in idealer Weise aufeinander abstimmen kann und nicht zuletzt, weil damit die ewige Unsicherheit in Bezug auf die richtige Wahl der treibenden Verstärker entfällt.

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Der Elektronik-Einschub (1) belegt große Teile der Rückwand und ist dort für Servicezwecke jederzeit zugänglich. Die Signalversorgung im Anschlussfeld-Bereich (2) geschieht profitypisch über symmetrische Leitungen.
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Worauf achten Profis noch? Sie bevorzugen im Regelfall Hersteller mit langjähriger Präsenz am Markt, erwiesenermaßen zuverlässigem Kundendienst und hoher Fertigungstiefe. Und nicht zuletzt solche, die eine lange Liste prominenter Kunden vorweisen können.

Eine jener seltenen Perlen, auf die all diese Faktoren zutreffen, ist der britische Studiospezialist ATC. Seit der Gründung inhabergeführt, werden dort in Gloucestershire Chassis ebenso selbst hergestellt wie Gehäuse und Elektronik. Damit handeln die Briten auch im Sinne aller High Ender, die sehr genau wissen, dass neben guten Bauteilen viel Gespür und Erfahrung vonnöten sind, um aus einem guten Produkt ein hervorragendes zu machen.Seit den späten 70er Jahren baut ATC Schallwandler für Studios. Die meisten sind ebenso gut für zu Hause geeignet, obwohl im privaten Bereich vielfach andere Vorstellungen herrschen, was Formen und Farben angeht.

Die SCM 100 Tower mit dem Zusatz "FF" (für "Finest Fidelity") ist ein durch und durch professionelles Produkt im Wohnzimmergewand. Eins, dessen stämmige Breite indirekt signalisiert, was den Kunden erwartet: ein Vollblutschallwandler, bei dessen Entwicklung nichts dem Zufall überlassen blieb.

Fünfstellige Kosten sind kein Pappenstil, doch kühle Rechner sollten bedenken, dass in diesem Preis die komplette Filter- und Verstärkerelektronik enthalten ist: kein mehr oder minder zufällig harmonierender Vollverstärker, sondern drei volldiskrete Transistor-Endstufen, die bis zu einem Drittel der Maximalleistung im Class-A-Betrieb arbeiten - begleitet von einem Überlastschutz, der hochprozentige Verzerrungen und verkohlte Chassis zuverlässig verhindert, aber nicht im Signalweg liegt.

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Die Hoch- und Mitteltöner (1 + 2) sind zur Minimierung von Kanteneffekten im Frequenzgang nicht mittig angeordnet. Der 12-Zoll-Basstreiber wird von einem tief abgestimmten Reflextunnel dezent und impulsschonend unterstützt (3).
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Die Zuweisung der Arbeitsbereiche leisten elektronische Filter, die sozusagen leistungslos vor den Endstufen arbeiten und nicht wie bei Passivboxen dahinter, was dann vielfach hohe Verluste bedeutet.

Die 350 Watt Dauerleistung, die ATC der SCM 100 ins Datenblatt schreibt, entsprechen gefühlten 700 Watt, denn das hochsolide Tonmöbel dringt mit faszinierender Leichtigkeit auch in derbste Pegelregionen vor. Messtechnisch sind es knapp 110 Dezibel, doch subjektiv ist die Britin geradezu abartig pegelsouverän.

Die Chassis sind durchweg Eigenentwicklungen, über die Jahre gereift und äußerlich eher unspektakulär. Doch Kenner schnalzen mit der Zunge, wenn sie erfahren (etwa auf der Webseite des Herstellers ), mit welcher Hingabe die Briten ihre Schwingsysteme auf Klangtreue trimmen.

Das auffälligste Chassis der SCM 100 ist der gut 30 Zentimeter durchmessende Basstreiber, dem ein gigantisches Magnetsystem Beine macht. Mit einer vergleichsweise kurz gewickelten Schwingspule in einem langen Luftspalt bleiben die Verzerrungen selbst im Bereich der maximalen Auslenkung sehr gering.

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Die 75 Millimeter große Membran des Mitteltöners wie auch die (bei Kalotten generell gleich bemessene Schwingspule sind von Schallführern und Magneten förmlich umzingelt.
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Der Mitteltöner ist einer der besten der Welt

Besonders stolz ist ATC auf die beiden Gewebekalotten, insbesondere die größere für den Mitteltonbereich zwischen 380 und 3500 Hertz. Das 75 Millimeter große Riesenauge (siehe Schnittmodell) ist eins der weltweit wenigen Chassis dieser Art und Größe.

Während andere Hersteller den Bau derartiger Riesenkalotten wegen Belastbarkeitsschwächen und vielfach nicht tolerierbarer Serienstreuungen längst eingestellt haben, halten die Briten der Bauform die Treue - wohl wissend, dass ihr über 30 Jahre gereiftes System klanglich wie messtechnisch zu den besten der Welt zählt. Das kann die stereoplay-TESTfactory vollauf bestätigen. Die Frequenzlinearität ist ähnlich gut wie bei Konus-Mitteltönern, das Rundstrahlverhalten wegen der geringeren Membranfläche besser. Die Krönung ist zweifelsohne das Klirrverhalten: Selbst bei Schalldruckpegeln von 100 Dezibel bleiben die Verzerrungen im Mitteltonbereich unter der Messgrenze.

Eine Überraschung gab es beim Aufbau im Hörraum dann doch: Die SCM 100 besitzt keine Ortsfilter zur Anpassung an Raum und Geschmack. ATC vertritt hier eine klare Meinung: Man möchte die mühsam gewonnene Linearität im Frequenz- und Zeitverhalten nicht zerschießen.

Die Argumentationskette ist so puristisch wie richtig: Es verspricht allemal mehr Erfolg, die Ursachen eines Problems zu beseitigen (etwa Aufstellungsfehler oder Raummoden), als mit Filtern, die nur im Frequenzbereich wirken, an den Symptomen herumzudoktern.Im lehrbuchhaft neutralen Hörraum der Tester jedenfalls keimte der Wunsch nach verändernden Justagen nur zu Beginn des Hörtests auf. Da war die bullige Britin allerdings auch völlig kalt. Also Ruhe bewahren, über Nacht laufen lassen.

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Aus klanglichen Gründen arbeitet die Endstufenelektronik klassisch analog mit bewährten Bauteilen. Bis hinauf zu fast einem Drittel der Maximalleistung von rund 350 Watt aus drei Zweigen laufen die Verstärker im besonders klangreinen Class-A-Betrieb.
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Und tatsächlich: Am nächsten Tag spielte sie wie ausgewechselt - großartig. Und zwar im wörtlichen Sinne. Das altbewährte "Weihnachtsoratorium" mit Fritz Wunderlich in der DG-Aufnahme zeigte mit ihr eine solche Farbpracht und markante Fülle, die Chorstimmen strahlten in einer solch unaufgeregten Klarheit, dass wir lang überlegen mussten, wann wir diese Einspielung das letzte Mal so überzeugend gehört hatten.

ie Präzison in der Darstellung hatten wir von der SCM 100 erwartet - immerhin kommt sie aus dem Studiobereich. Aber nicht diese Gelassenheit, mit der sie das komplexe Klanggeschehen aufschlüsselte, schwelgerisch-zärtlich und doch präzise die Gitarrensaiten in Jack Johnsons "Happy Together" ausschwingen ließ. Und erst dieser Bass! Die ATC meistert hier den selten gelungenen Spagat zwischem satt-tiefem Fundament und federnder Leichtigkeit. Die beeindruckende Raumtiefe, die spielerische Leichtigkeit in der Wiedergabe - all das fußt auf diesem phänomenalen Tieftonbereich.Vielleicht täte ein bisschen mehr Hochtonglanz gut. Aber womöglich würde dann das dezent-feine Auftreten rüder. Nein, die SCM 100 ASL FF ist kein lupenhafter Abhörmonitor, sondern ein Lautsprecher, mit dem man wunderbar lange intensiv Musik genießen. kann. Ein größeres Lob können wir nicht vergeben.

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