HiFi

Schleichfahrt - die umstrittene EU-Richtlinie

5.5.2008 von Redaktion connect und Bernhard Rietschel

ca. 2:40 Min
Ratgeber
  1. Report: Die 100-dB-Lüge
  2. Wissenschaftliche Erkenntnisse
  3. Tipps für mehr Dynamik
  4. Schleichfahrt - die umstrittene EU-Richtlinie
  5. Lautheit um jeden Preis

Gesetzesrang hat das Lautstärkelimit für Portis bislang nur in Frankreich - jenem regulierungstollen Land, das seinen Bürgern bereits die legendäre, weltweit einmalige Radio-Zwangsquote für landessprachliche Musik geschenkt hat. Da kein Hersteller nur für die Franzosen eine Sonderserie auflegt und entsprechende Regeln europaweit drohen, sind schon heute alle EU-Portis mehr oder weniger limitiert: 150 Millivolt am Kopfhörer-Ausgang und 100 dB (A) Maximalpegel mit dem Original-Hörer fordert die EG-Richtlinie. Apple hält sie in den neuen iPods haargenau ein.

Für HiFi-verwöhnte Ohren sind die kultig weißen Apple-Quietschpillen kaum zu ertragen, aber eines haben sie: Wirkungsgrad. Bei einem Kopfhörer, der hauptsächlich Mitten erzeugt, ist das auch keine Kunst - es gilt das Feuermelder-Prinzip: Je schmalbandiger ein Schallwandler ist, desto höhere Pegel kann man mit einer gegebenen Leistung entfachen.


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Grado iGrado, erreicht mit dem regulierten iPod gerade mal 93 dB
© Foto: Arcihiv

Rote Karte für HiFi

Soll ein Kopfhörer hingegen einen ausgedehnten, ausgewogenen Frequenzgang liefern, verlangt die Physik einen etwas höheren Krafteinsatz - den der kastrierte iPod nicht mehr leisten darf. Der hervorragend klingende iGrado (AUDIO 12/07) lieferte in den Messungen der TÜV- und ISO-zertifizierten AUDIO-TESTfactory dezente 93 dB (A), wenn man den iPod auf Rechtsanschlag drehte. 93 gegenüber 100 - das klingt nicht nach viel, ist es aber: gut 50 Prozent leiser. Wenn man bedenkt, dass schon die berühmten 100 dB mitunter - etwa mit Klassik - knapp sind, ist es kein Wunder, dass der Kollege mit genau dieser Kombination akustischen Schiffbruch erlitt.

Gutes Hören ist Geschäftsgrundlage jeder HiFi-Zeitschrift, und es wäre schon deshalb töricht, ungesunde Pegel zu propagieren. Aber wenn sich wie hier eine Regelung nach dem dümmsten anzunehmenden User (der keinen Volume-Regler bedienen kann), dem schlechtestmöglichen (sprich lauten und verfärbenden) Kopfhörer und der dynamikärmsten Musik richtet, dann ist das ein kulturfeindlicher Schildbürgerstreich. Zumal mit geeigneter Musik auch die "sicheren" 100 dB problemlos reichen, um Gehörschäden zu erzeugen.

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Bose In-Ear, erreicht mit dem gedrosselten iPod nur 88 dB - zu leise für Klassik
© Foto: Archiv

Strafe für Klang und Komfort

Selbst in den USA, dem Mutterland absurder Produkthaftungs-Prozesse, ist man vernünftiger: iPods aus den Staaten sind genauso wie im außereuropäischen Rest der Welt glatte 10 dB lauter als ihre ausgebremsten Euro-Brüder. So kann man auch den Entwicklern von Bose keinen Vorwurf machen, wenn ihr In-Ear-Kopfhörer am Test-iPod nur auf 88,5 dB (A) kommt. Hier wird gute Akustik-Arbeit bestraft: Der Bose-Stöpsel ist auf lockeren, nicht komplett abdichtenden Sitz optimiert und besitzt eine sehr ausgewogene, unaufdringliche Klangbalance.  Beide Maßnahmen führen dazu, dass der Bose IE einer der komfortabelsten, HiFi-tauglichsten Knopf-Hörer überhaupt ist, kosten aber etwas Wirkungsgrad. Was mit dem US-iPod auch kein Problem ist, an "unserem" hysterisch beschränkten Leisetreter dagegen annähernd Praxisuntauglichkeit bedeutet.

Die Begrenzung der Ausgangsspannung von Portis bringt den  mündigen Musikfreund zuverlässig um seinen Spaß. Weniger zuverlässig ist die Schutzwirkung dieser Maßnahme, da es unter den Mobil-Kopfhörern zwar sehr viele leise, aber auch einige extrem laute Modelle gibt. Wo der Apple-Originalhörer 100 dB (A) schafft, kommt der immerhin merklich bessere Creative Zen Aurvana locker auf 105 dB (A). Aber natürlich hat die EU-Richtlinie auch daran gedacht und neben der Ausgangsspannung der Player und dem Maximalpegel der Komplettpakete auch den Wirkungsgrad einzeln erhältlicher Mobil-Hörer begrenzt. Die großen Heim-Hörer bleiben von der Regelung ausgenommen, spielen aber ohnehin meist deutlich leiser.

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Creative Zen Aurvana, mit dem iPod 105 dB
© Foto: Archiv

Die Frage ist nur: Was soll das bringen? Schon heute werden die leichten, kompakten In-Ear-Hörer massenhaft aus dem Ausland importiert. Sollten laute Exemplare hier nicht mehr angeboten werden dürfen, steigt die Import-Rate eben entsprechend an. Wunder können aber auch die extralauten Exemplare nicht vollbringen: Maximaler Pegel bei minimaler Spannung - das geht nur mit Bassverzicht und/oder einer unkomfortablen Presspassung im Gehörgang. Wer sich unbedingt schaden will, den stört das nicht.

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