Ratgeber

Alles über Bassmanagement

6.10.2009 von Redaktion connect und Raphael Vogt

Unter Bassmanagement versteht man das Verwalten, Umleiten und Filtern tieffrequenter Signale in einer HiFi- oder Heimkinoanlage. stereoplay erklärt, wozu man das braucht, wie es funktioniert und wie Sie Ihre Anlage richtig einstellen.

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Fast ein Jahrhundert lang benötigte man kein Bassmanagement, kam doch anfangs ohnehin kein Bass aus der Wiedergabe trötiger Grammophontrichter. Auch Omas Röhrenradio kümmerte sich um so etwas nicht. Selbst in komplexeren Beschallungsanlagen, wie sie beispielsweise bereits seit den vierziger Jahren in Kinos und bei Konzerten Verwendung fanden, spielte es keine Rolle, obwohl bereits Disneys "Fantasia" 1940 mit Mehrkanalton präsentiert wurde und auch Systeme wie Todd-AO in den Fünzigern schon mit fünf Frontkanälen plus Surround den Grundstein für heutige Mehrkanaltechnik bildeten. Jeder Kanal besaß damals sein eigenes Signal, und der daran angeschlossene Lautsprecher gab es brav und unverändert wieder.


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Konfiguration: Im Beispiel ist ein typisches Setup für ein 5.1- Boxenset eingestellt mit fünf Vollbereichs-lautsprechern plus Subwoofer; dieser bekommt so ausschließlich das LFE-Signal.
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Der Bedarf an einer cleveren Idee, wie man die verbesserten Aufzeichnungsmöglichkeiten und den damit auch steigenden Anspruch an die Wiedergabe mit breiterem Frequenzspektrum und vor allem größerer Dynamik in wirtschaftlich vertretbarem Rahmen umsetzt, stieg Ende der Siebziger deutlich. Die Problematik: Mehr Dynamik mit mehr Spitzenpegel bei tieferen Frequenzen erfordert enorm mehr durch den Lautsprecher bewegte Luft. Ein wenig Physik: Für die gleiche Lautstärke muss bei der halben Frequenz vier Mal mehr Luft bewegt werden. Dem entsprechend muss der Lautsprecher entweder einen vier Mal größeren Hub vollführen oder für gleichen Hub die vierfache Fläche besitzen. Das summiert sich schnell zu einem Problem: Für die Wiedergabe von 20 Hertz muss man also 16 Mal mehr Luft bewegen als bei derselben Lautstärke für 80 Hz. Mit heutiger Technik liegen die Spitzenpegel pro Kanal am Hörplatz bei 105 Dezibel und der LFE (Low Frequency Effects) bei 115 dB.

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Ein Aufwasch: Der Pegelabgleich zwischen den Kanälen findet sich in der Regel im gleichen Menü wie das Bass- management, genau wie das Delay. Diese Korrekturen erledigt das Bassmanagement mit.
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In der 1980 bei Lucasfilm gegründeten THX-Division, heute eine eigenständige Firma, entwickelte Tomlinson Holman das erste Bassmanagement (wofür er 2002 einen Oscar erhielt) zunächst für die Kinos, um das Prinzip Ende der 80er für Heimkinokomponenten zu adaptieren. Die Idee: Aktive Subwoofer bieten die präziseste und leistungsfähigste Basswiedergabe aller Lautsprecherbauarten, und das relativ preiswert. Holman leitet also den Bass aller Kanäle in den Subwoofer um und packt den LFE noch oben drauf. Das addiert sich zwar auf anspruchsvolle 121 dB Pegel, den der arme Basswürfel erzeugen können muss, dafür kann man aber mehrere verbauen und durch richtige Positionierung sogar noch den Klang verbessern. Vorteil: Alle anderen Kanäle benötigen nur noch kleinere, preiswertere Lautsprecher und Verstärker. Holman gewann so Klangqualität, Dynamik, Flexibilität in der Aufstellung und Budgeteinsparungen in einem Rutsch - genial. Das war die Geburt des Bassmanagements.

Aus der starren Ur-Umleitung ist das heutige, flexibel konfigurierbare Routing- und Filternetzwerk hervorgegangen. Reichten bis in die 90er Jahre zwei Wippschalter oder eine knappe Bildschirmdarstellung, kommen heute oft schon mehrere Menüseiten zusammen. Die Grundidee bleibt die gleiche: die hohe Energie der Bassnoten in den oder die dafür potentesten Lautsprecher umzuleiten, in der Regel also in einen oder mehrere Subwoofer.

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Missverständnis LFE: Im klassischen 5.1-Ton (der 1979 mit analogem 6-Kanal-Magnetton bei "Apocalypse Now" Premiere hatte) kommt erstmals der LFE-Kanal (Low Frequency Effects) zum Einsatz. Dabei trägt dieser keinesfalls die gesamte Bassinformation für den Subwoofer, wie viele immer noch meinen. Alle fünf (heute bis sieben) Hauptkanäle arbeiten breitbandig bis in den Bass. Der LFE-Kanal dient ausschließlich der Unterstützung von Spezialeffekten, und zwar nur unterhalb 120 Hertz und ohne Richtungs-information. Daher landet das LFE-Signal normalerweise im Subwoofer. Lässt man den LFE weg (er ist beispielsweise im 2-Kanal-Downmix für den Fernseher überhaupt nicht enthalten), darf keine relevante Information fehlen. Besonderheit: Der LFE wird bei der Wiedergabe pauschal um 10 dB verstärkt - für das Extrapfund Schub, das beispielsweise eine Explosion richtig spüren lässt.
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Aber auch den umgekehrten Fall deckt das Bassmanagement ab, wenn Sie weniger Lautsprecher als Quellenkanäle verwenden, etwa ohne Center oder ohne Subwoofer arbeiten. Dann landet das Centersignal als mittig ortbares, monaurales Signal pegelkorrigiert im linken und rechten Frontkanal oder das richtungslose LFE-Signal in allen Lautsprechern, deren Bass nicht beschnitten wird.

Wie konfiguriert man das Bassmanagement am Verstärker richtig? Faustregel: jede Box, die signifikant bassschwächer ist als die Frontlautsprecher und/oder der Subwoofer, auf "Small" konfigurieren. Geeignete Übergangsfrequenzen wählen: Je höher die Frequenz, desto lauter kann der Kanal spielen - Sie gewinnen Dynamik, dafür verlieren Sie Ortbarkeit. Je mehr Kanäle Sie vom Bass entlasten, desto mehr Tieftonenergie leitet das Bassmanagement auf den Subwoofer (oder bei dessen Abwesenheit auf die Frontlautsprecher) um.

Der Subwoofer bekommt also neben dem alleine schon anspruchsvollen LFE-Signal den Tiefbass der anderen Kanäle aufgebürdet und sollte entsprechend potent sein. Bauernregel hier: Es gibt keinen überdimensionierten Subwoofer. Denn spätestens bei typischem THX-Setup mit allen Kanälen auf "Small" muss der Woofer enorme Energien aufbringen, soll er doch einen Teil der Arbeit von bis zu sieben Lautsprechern nebst LFE mit erledigen.

Gab es anfänglich nur 80 Hertz als Übergangsfrequenz zwischen beschnittenen Lautsprechern und Subwoofer zur Auswahl, bieten heutige Decoder höhere und tiefere Frequenzen feil und in der Regel sogar für mehrere Kanalgruppen getrennt einstellbar. Das macht Sinn, und Sie sollten es nutzen. Speziell der Center sollte besondere Sorgfalt erfahren, gibt er doch den wichtigsten Teil der Bühne wieder, von Stimmen über fast alle Instrumente, und auch im Film spielt er eine sprichwörtlich tragende Rolle. Idealer Weise verwenden Sie drei identische Lautsprecher, dann ist bereits viel gewonnen. Oft ergibt sich, abhängig von seiner Konstruktion, eine Grundtonanhebung durch nahe Grenzflächen wie den Fernseher, dann klingt es häufig besser, ihn höher abzutrennen, obwohl er tiefer spielen könnte.

Insbesondere Hauptlautsprecher mit nur zwei Wegen (also ohne Extra-Basschassis) können klanglich gewinnen, befreit man sie von der Kellerarbeit. Sie kämpfen bei zunehmender Lautstärke mit Verfärbungen durch den Dopplereffekt, denn die empfindlichen Grund- und Mitteltonfrequenzen schiebt der mit weiten Tiefbassauslenkungen beschäftigte Tiefmitteltöner ständig mit nach vorne und hinten, wobei sich nach Doppler auch die Tonhöhen verschieben und damit der Klang ändert. Entbindet man die 2-Wege-Box vom Tiefbass, spielt sie lauter und freier, und die Doppler-Verfärbungen gehen drastisch zurück.

Gerade die Kombination aus feinem 2-Wege-Lautsprecher und tief angekoppeltem Subwoofer macht auch als High-End-Stereo-Anlage Sinn, kann sie doch Präzision und Spielfreude mit einer beeindruckenden Dynamik und akustischen Präsenz verbinden, die sich sonst nur mit sündhaft teuren, turmgroßen Superboxen erreichen lässt.

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Bassmanagement anno 1996: Gerade mal zwei Kippschalter regeln an diesem Parasound PSP 1500 das komplett analoge Bassmanage- ment nach THX- Vorschrift.
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Tipp: Geben Sie sich nicht mit der automatisch konfigurierten Einstellung einer Einmessautomatik zufrieden! Diese entscheidet strikt nach ihrer implementierten Mathematik, nicht nach klanglichen Gesichtspunkten oder Gebrauchsabsichten. Heutige Automatiken bieten in der Regel einen guten Ausgangspunkt, aber Sie sollten mit höheren und tieferen Frequenzen experimentieren. Grundregel: Tiefere Frequenzen klingen ausgewogener, höhere Frequenzen erlauben größere Abhörpegel und Dynamik.

Vorsicht Falle: "Direct"-Modi moderner Surroundverstärker schalten oft das Bassmanagement ab; viele Hersteller bieten mehrere Stufen der Abschaltung. Oft heißen die Stufen ähnlich. In "Standard"-Modi arbeitet die gesamte Signalbearbeitung. "Direct" oder "Straight", gar "Pure Direct" schalten oft das Bassmanagement und sogar das Delay und den Pegelabgleich ab! Das sollten Sie gegebenenfalls in Ihrer Anleitung erforschen.

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Komplex: Dieses vereinfachte Schema des Routings und der Filter eines typischen Bassmanagements veranschaulicht die Komplexität der Aufgabe. Hier nur die Darstellung für die Arbeit mit einem Subwoofer. Center, Surrounds und LFE können auch beispiels- weise auf den linken und rechten Hauptlaut- sprecher umgeleitet werden.
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Noch eine Falle: Voreinstellungen von Playern kann man nur bedingt trauen. Der Feature-Wahn ist schuld daran. Ursprünglich war alles so schön einfach: zwei Kanäle in den Decoder, der kümmert sich um alles, fertig. Dann kamen Dolby Digital und DTS. Da man sich darauf geeinigt hatte, dass Signale externer Decoder im Verstärker nur im Pegel angeglichen weiter gereicht werden, musste der Vorarbeiter das Bassmanagement und die Verzögerung (Delay) übernehmen. Das gestaltete sich noch übersichtlich, war jahrelang einheitlich und verlässlich. Nun möchten aber neuere Verstärker, etwa seit der Einführung von HDMI, zunehmend gerne das gesamte Bassmanagement selber übernehmen, egal ob vom analogen Cinchbuchsen-Sextett (oder gar Oktett) oder via HDMI-Mehrkanalzuspielung. Auch das eigentliche Quellenmaterial, egal ob DVD, SACD oder Blu-ray-Disc, spielt dabei keine Rolle.

Der beste Ausweg bei drohendem Doppel-Bassmanagement ist meistens, den Verstärker alles regeln zu lassen. Die Quelle, etwa den Blu-ray-Player, konfiguriert man auf Durchzug. Das passiert entweder bei korrektem HDMI-Handshake automatisch, ansonsten muss man im Player alles manuell auf Neutral stellen, also alle Lautsprecher "Large", Subwoofer auf "Yes", alle Pegel auf Null, alle Delays auf denselben Wert. Dann erhält der Verstärker das Signal identisch mit der Aufnahme. So lassen sich alle Surroundmodi des Verstärkers nutzen, nur "Pure Direct" (oder wie immer der Hersteller die Funktion nennt, die das Bassmanagement umgeht) nicht. Das gewährt maximale Flexibilität, identische Konfiguration und gleichen Klangeindruck für alle Eingänge.

Puristen, die gerne den Minimalmodus des Verstärkers nutzen möchten, was gerade bei analoger SACD-Zuspielung verlockt, müssen entsprechend das Bassmanagement komplett im Player konfigurieren. Sie müssen sich auch bewusst sein, dass eventuell sinnvolle elektronische Raumanpassungen wie Audyssey, MCACC oder YPAO in diesem Falle auch umgangen werden. Daher noch einmal: In der Regel fährt man am besten mit dem Bassmanagement des Verstärkers und stellt den Player auf 1:1-Wiedergabe.

stereoplay Bassmanagement-Checkliste:

- Boxen(-gruppe) "Large": überträgt auch Bass.- Lautsprecher(-gruppe) "Small": im Bass beschnitten.- Lautsprecher(-gruppe) "None": nicht vorhanden.- Modus "Main + Sub": Frontkanäle nicht beschnitten, aber in den Subwoofer dupliziert.Nicht auf Einmessautomatik verlassen! - Höhere Übergangsfrequenz: mehr Dynamik und Grenzpegel.- Tiefere Übergangsfrequenz: homogenerer Klang.- Subwoofer großzügig dimensionieren!

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