Direct Stream Digital

Digitale Audioformate - DSD vs. PCM

22.8.2013 von Alexandros Mitropoulos

Für die SACD entwickelt, feiert das Digitalformat DSD (Direct Stream Digital) aktuell ein Comeback in Dateiform, losgelöst vom einstigen optischen Datenträger. Aber bietet DSD gegenüber dem klassischen PCM wirklich Vorteile? Es stiftet auf jeden Fall Verwirrung - und sorgt für spannende Hörtests.

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Musik-Streaming vom PC
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Ältere HiFi-Semester erinnern sich noch an die ersten Klangeindrücke mit der CD, dann an die ersten externen D/A-Wandler und das Erfolgserlebnis, den "perfekten" Digital-Datenstrom tatsächlich durch ein optisches Kabel schicken zu können, an Phantasien von volldigitalen Ketten, die sich dann in Vollverstärkern mit ein paar optischen Eingängen manifestierten und schnell wieder verschwanden.

SACD vs. DVD-Audio

Der nächste Neubeginn kam mit SACD und DVD-Audio, die beide eine völlig neue Klangdimension versprachen - und der Musikindustrie ein letztes Mal die Sicherheit kopierschutztechnisch komplett vernagelter physischer Datenträger. Das DVD-A-Tonformat, hochauflösendes PCM, hat die Schutzhülle längst abgestreift und boomt in der virtuellen Welt, in Minuten downloadbar von Portalen wie Highresaudio, abspielbar in zahlreichen Playern für jeden Geldbeutel, technisch/ klanglich über jeden Zweifel erhaben und jeder zukünftigen Herausforderung gewachsen.

Oder vielleicht doch nicht? Der einträchtige Frieden der letzten Jahre droht in einen neuen Formatstreit überzugehen, in eine virtuelle Fortsetzung der alten SACD-gegen- DVD-A-Diskussion. Denn auch das SACD-Tonformat DSD ist jetzt wieder im Rennen - in Dateiform, bereit für die Wiedergabe auf dem PC und neuerdings manchem Netzwerkplayer. Einen bösen Masterplan kann man dahinter nicht erkennen.

SACD-Tonformat DSD

Das DSD-Revival bekamen HiFi-Fans nicht von der Industrie übergestülpt, es ging eher von einer Handvoll kleinerer Hersteller und einer Gruppe engagierter Fans aus, denen die klanglichen Meriten des Einbit-Formats jede Mühe wert zu sein scheinen. Was technisch sinnvoller oder leistungsfähiger ist, bleibt selbst auf höchstem Ingenieursniveau umstritten.

Praxis: HiRes-Musik-Downloads - besser als Audio-CDs

AUDIO fragte etwa den Entwickler Rainer Finck, der mit Philips und Marantz Digitalgeschichte geschrieben hat und auch deren Super-Netzwerkspieler NA-11 entscheidend mit verantwortet - ein DSD-Fan.

Lothar Wiemann dagegen, der mit T+A programmierbare DSP-Digitalfilter in die High Fidelity einführte und viele überragende SACD-Player baute, ist alles andere als glücklich mit der neuen Format-Verwirrung.

Auch Daniel Weiss, der mit dem MAN301 den besten AUDIO bekannten Musikserver baut, hadert mit DSD - zweifelt aber zugleich auch am Sinn extrem hoher PCM-Auflösungen. Der Schweizer arbeitet betont pragmatisch: Den 301 hat er kurzerhand per Software-Update DSD-fähig gemacht, lässt aber die Files nicht nativ, sondern erst nach Umwandlung in Hochbit-PCM in den Wandler strömen.

Grundlage für die Kaufentscheidung sollte DSD aus jetziger Sicht nicht sein - sicher aber ein spannendes Extra an einem auch ansonsten starken D/A-Wandler oder Netzwerkspieler.

Rainer Finck: "Der Klang entscheidet"

Hochauflösende Audio-Dateien sind zunehmend verfügbar, die anbietenden Download Plattformen werden immer populärer. Gleiches gilt für das Angebot an netzwerkfähigen Audioprodukten und USB-DACS. Möglich gemacht hat diese Entwicklung nicht zuletzt die deutlich gestiegene Geschwindigkeit des Internets. Am Ende sollte das Klangerlebnis und der bestmögliche Musikgenuss stehen.


Vielfältige Hörtests und Vergleiche in unserem Haus haben zu dem Ergebnis geführt, dass DSD zur Zeit in der Regel besser klingt als PCM. DSD-Wiedergabe klang in unseren Experimenten überraschenderweise sogar dann besser, wenn die entsprechenden Dateien aus PCM, ja sogar aus CD-Material hervorgingen. Mit kostenloser Konvertierungs-Software wie Audiogate kann das jeder Interessierte problemlos zuhause ausprobieren.

Seit Ende der 80 Jahre wurde die Wandlertechnik durch Einführung der Philips Bitstream Wandler grundlegend verändert. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden nur Mehrbit-Wandler eingesetzt - heute ist es genau umgekehrt. Egal welcher Hersteller, und egal, ob A/Doder D/A-Wandler - es gibt nur noch Wandler mit sogenannten Sigma-Delta-Modulatoren. Bei A/D-Wandlern wird aus dem überabgetasteten Bitstream durch Filterung und Dezimation PCM erzeugt. Umgekehrt wird bei der D/A-Wandlung aus PCM durch Interpolation und Überabtastung wieder ein Bitstream im Chip erzeugt.

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Dieser letzte Schritt wird bei DSD nicht vollzogen, weil diese Verarbeitung schlicht entfällt. Mögliche Rechenungenauigkeiten werden so vermieden und könnten der Grund für den klanglichen Mehrwert sein.

Lothar Wiemann: "Umständlich und kontraproduktiv"

Als Pioniere in der Anwendung von Sigma-Delta-Wandlern und im Bau von SACD Playern beschäftigen wir uns bei T+A schon seit vielen Jahren mit DSD. Als es noch kein hochaufgelöstes PCM gab, ergab DSD auch durchaus Sinn. In Zeiten von HD-PCM kann ich aber keine Überlegenheit der DSD-Technik mehr erkennen.

Um die DSD-Überlegenheit ranken sich aber auch heute noch hartnäckig einige Legenden:

"DSD bringt mehr Information": Der DSD-Informationsgehalt ist nicht höher als bei PCM. Die SACD liefert pro Kanal und Sekunde 2,8224 Millionen Datenbits. Das liegt knapp über PCM 96/24 (2,304 MBd) und weit unter PCM 192/24 (4.608 MBd). Bereits PCM in 192/24 kann also einen höheren Informationsgehalt speichern und transportieren als ein SACD-DSD-Signal.

"DSD kommt ohne analoge Filter aus": Das ist völliger Blödsinn. Ein DSD Signal hat aufgrund des unabdingbaren DSD-Noiseshapings oberhalb 20kHz einen so gewaltig ansteigenden Rauschteppich, dass es ungefiltert kaum auf Verstärker, geschweige denn auf Lautsprecher losgelassen werden kann. In der Praxis ist also zumindest ein Filter 2. Ordnung bei einer Einsatzfrequenz irgendwo zwischen 60 und 90 kHz erforderlich. Mehr Filterung braucht es aber bei PCM 192/24 auch nicht.

"Bandbreite und Dynamik von DSD sind besser". Die nutzbare DSD-Bandbreite liegt bei maximal 100kHz. Das schafft auch PCM192/24. DSD erreicht ca.120dB Rauschabstand - das aber nur bei tiefen Frequenzen. PCM mit 24 Bit erreicht 144dB, und das homogen über den gesamten Frequenzbereich und ohne Tricks wie Noiseshaping.

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Ich sehe zudem einige indirekte Nachteile in der DSD-Technik. Da aufgrund der hohen Verbreitung von PCM Aufnahmen kaum jemand vollständig auf PCM verzichten kann, würden Kombigeräte für PCM und DSD benötigt. Technisch ist das natürlich machbar. Die Geräte werden aber komplexer, Signalwege länger, die Taktaufbereitung schwieriger und weniger effektiv. Das Gesamtergebnis wird dadurch sicher nicht besser. Bei der Formatvielfalt wäre weniger meiner Meinung nach mehr.

Mehr Sicherheit mit langfristiger Konstanz würde Medienanbietern, Geräteherstellern und den Nutzern Vorteile bringen. Jedes Jahr eine neue Sau durchs Dorf zu treiben, hilft dagegen niemandem.

Daniel Weiss: "SACD wäre heute ein 6-Bit-Format"

DSD zeigt den Stand der Technik der 90er Jahre, die 1 Bit Sigma-Delta A/D und D/A Wandler waren zu der Zeit weit verbreitet. Die Wandlertechnik ist seither fortgeschritten. Heute sind die modernen Sigma-Delta Wandler in Multi-Bit (z.B. 6 Bit statt 1 Bit) realisiert.

Das hat gute Gründe: Ein 1 Bit Wandler birgt inhärente Probleme mit ungenügendem Dithering und Idle Tones. Würde die SACD heute erfunden, wäre sie ein 6-Bit-Format geworden... Um eine in DSD gemachte Aufnahme bearbeiten zu können - Lautstärke, Equalizing - muss das DSD- in ein PCM-Signal gewandelt werden, z.B. in 88.2kHz/24 Bit. Im PCM Format kann es dann beliebig bearbeitet, geschnitten, eben "produziert" werden.

Das heißt, es ergibt keinen Sinn eine Aufnahme in DSD zu machen, wenn man weiß, dass die Aufnahme nachbearbeitet werden wird. Mit einem modernen A/D Wandler z.B. mit 88.2 kHz/24Bit fährt man besser. Nach der Produktion kann man die fertige Fassung immer noch in DSD konvertieren.

Zu den Eigenschaften eines DSD-Signals gehört auch, dass oberhalb 20kHz der Rauschpegel stark ansteigt. Dieses Noiseshaping ist notwendig, um im Audioband einen kleinen Rauschpegel zu haben, kann aber in den nachfolgenden Verstärkern und Lautsprechern Probleme verursachen, muss also mit einem Tiefpassfilter bedämpft werden. In einem DSD D/A Wandler geschieht dies im Analogbereich, vor dem Ausgang des Wandlers. In einer Kette mit einem DSD/PCM Wandler und PCM-D/A Wandler geschieht dies im DSD/PCM-Wandler, also im Digitalbereich. Ich denke, eine Diskussion DSD vs. PCM erübrigt sich.

DSD ist eine weitere Variante Musik zu speichern, neben PCM, Schallplatte, Magnetband, MP3, usw. Alle Formate haben ihre Berechtigung solange es Leute gibt, die ein Format aus welchen Gründen auch immer favorisieren. Geschmacksache oder auch praktische Gründe wie im Fall von MP3. Vom technischen Standpunkt her gesehen ist PCM, so ab 88.2kHz / 24 Bit, definitiv besser als DSD.

Die wahren Baustellen in der Audiotechnik sind Lautsprecher und -Platzierung, Raumakustik und -korrektur, neue Paradigmen bei der Audiowiedergabe (etwa Crosstalk Cancelling) usw. Die "schneller, höher, weiter" Entwicklung, auch bei PCM, ist komplett überflüssig.

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